Wegen der russischen Verluste wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation und einem Einsatz von Atomwaffen. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell warnte davor, dass sich Moskau durch die erlittenen Rückschläge zu diesem Schritt gezwungen fühlen könnte. Kreml-Sprecher Dimitri Peskow stellte klar, dass die Russen ihre zuletzt wieder an die ukrainischen Streitkräfte verlorenen Gebiete zurückerobern wollten. Nach Angaben aus Kiew griff Russland erstmals Ziele in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt mit Kamikaze-Drohnen an.
Unterdessen hat die Europäische Union ein achtes Massnahmenpaket gegen Moskau auf den Weg gebracht. Die Sanktionen, die von den ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten gebilligt wurden, umfassen unter anderem die rechtlichen Voraussetzungen für einen Preisdeckel auf Öl-Importe aus Russland. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von mehreren Diplomaten. Die Einigung sollte in den nächsten Stunden im schriftlichen Verfahren von den Hauptstädten bestätigt werden.
Putin unterzeichnet Gesetz zur Annexion ukrainischer Gebiete
Per Unterschrift unter die entsprechenden Dekrete hat Wladimir Putin die völkerrechtswidrige Annexion der besetzten Teile der ukrainischen Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk abgeschlossen. Er unterzeichnete die von Staatsduma und Föderationsrat beschlossenen Gesetze zur Integration der Regionen in russisches Staatsgebiet und setzte sie in Kraft. Diese Regionen stehen damit offiziell unter dem Schutz der Atommacht. Moskau kontrolliert aber nur Teile dieser Gebiete im Süden und Osten der Ukraine. Die Ukraine meldete dort zuletzt immer wieder Geländegewinne. Zunächst werden die Regionen von Moskau eingesetzten Beamten geleitet, denn die Regionalparlamente sollen erst im September nächsten Jahres gewählt werden.
Russland will von Ukraine befreite Gebiete nicht aufgeben
Moskau will die bei der jüngsten ukrainischen Gegenoffensive wieder verlorenen Gebiete nicht aufgeben. Das Ziel sei, sie schnell wieder unter Kontrolle zu bringen. "Sie werden für immer zu Russland gehören", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow laut Agentur Tass. Allerdings bereiten die Angriffe der Ukraine Russland Probleme bei der Versorgung seiner Einheiten, wie britische Geheimdienste meldeten.
EU-Chefdiplomat warnt vor nuklearer Eskalation im Ukraine-Krieg
Angesichts der ukrainischen Erfolge auf dem Schlachtfeld warnte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell vor einem Atomwaffeneinsatz Russlands. Der Krieg sei in eine neue Phase eingetreten, in der eine Nuklearmacht Rückschritte mache und Drohungen im Raum stünden, dass auch Kernwaffen eingesetzt würden, sagte der EU-Chefdiplomat. Davor dürfe man nicht die Augen verschliessen. "Das ist sicherlich ein besorgniserregendes Szenario, in dem wir zeigen müssen, dass unsere Unterstützung für die Ukraine nicht wankt", unterstrich der Spanier.
Auch der tschechische Präsident Milos Zeman warnte vor dem "ernsten Risiko" eines nuklearen Konflikts. Seiner Ansicht nach sollte der Westen den Kreml warnen, dass er in einem solchen Fall nicht nur mit einer diplomatischen Reaktion, sondern mit einer "entschiedenen militärischen Antwort" rechnen müsse: "Mit allen Folgen, die das haben kann."
Ukraine: Russland greift mit Kampfdrohnen Ziele bei Kiew an
Indes griffen die Russen laut ukrainischen Angaben erstmals Ziele nahe Kiew mit Kamikaze-Drohnen an. Der Gouverneur des Gebiets Kiew sprach von sechs Einschläge und Explosionen. Getroffen wurde demnach Infrastruktur, ein Mensch sei verletzt worden. In der Nacht hatte es in der Hauptstadt und dem angrenzenden Gebiet über drei Stunden lang Luftalarm gegeben. Den Luftstreitkräften zufolge sind insgesamt zwölf iranische Drohnen aus südlicher Richtung auf Ziele geflogen. Der Iran hatte eine Lieferung offiziell bestritten.
EU-Staaten bringen neues Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg
Die EU-Staaten haben ein achtes Paket mit Sanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht. Die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten billigten unter anderem rechtliche Voraussetzungen für einen von den G7-Staaten unterstützten Preisdeckel für Ölimporte aus Russland. Das bestätigten Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Die Einigung muss noch im schriftlichen Verfahren von den Hauptstädten bestätigt werden. Dies sollte bis Donnerstagvormittag geschehen. Teil der Grundsatzeinigung zu den neuen Sanktionen sind verschiedene Exportverbote, die etwa bestimmte Schlüsseltechnologien für die Luftfahrt betreffen. Zudem soll es ein Importverbot für bestimmten Stahl aus Russland geben. Auch soll es EU-Bürgern verboten sein, Sitze in Führungsgremien russischer Staatsunternehmen einzunehmen.
Russische Kriegsgegnerin Owsjannikowa aus Hausarrest geflohen
Die wegen ihrer Kritik an Russlands Krieg gegen die Ukraine bekannt gewordene frühere russische Fernsehredakteurin Marina Owsjannikowa ist nach eigenen Angaben aus dem Hausarrest geflohen. Das schrieb die 44-Jährige im Nachrichtendienst Telegram. Der Hausarrest war nach früheren Angaben bis kommenden Sonntag angesetzt worden. Owsjannikowa steht auf einer Fahndungsliste. Der Arrest ist Teil eines Strafverfahrens, in dem sie wegen der Verbreitung von angeblichen Falschinformationen über die russischen Streitkräfte angeklagt ist.
Putin annektiert per Dekret Europas grösstes Atomkraftwerk
Putin beauftragte seine Regierung per Dekret mit der Verstaatlichung des ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja. Das AKW ist das grösste Kernkraftwerk in Europa und seit Anfang März von russischen Truppen besetzt. Es ist in den vergangenen Monaten bei schweren Kämpfen mehrfach unter Beschuss geraten und musste sogar heruntergefahren werden.
Nato erklärt neuen Gefechtsverband an Ostflanke für einsatzbereit
Der zum besseren Schutz der Ostflanke aufgebaute Nato-Gefechtsverband in der Slowakei ist einsatzbereit. Wie das Verteidigungsbündnis am mitteilte, hat die multinationale Kampftruppe bei der jüngst beendeten Übung Strong Cohesion ("Starker Zusammenhalt") gezeigt, dass sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Diese folgte auf mehrere Monate der Vorbereitung.
Beteiligt an dem neuen Gefechtsverband in der Slowakei ist auch Deutschland. Die Bundeswehr war nach Ende September nach eigenen Angaben mit etwa 550 Soldatinnen und Soldaten in dem westlich der Ukraine gelegenen EU-Staat präsent. Zudem sind Tschechien, die Vereinigten Staaten, Slowenien und das Gastland Slowakei mit dabei./msw/DP/he
(AWP)