Puigdemont trat am Samstagmittag erstmals in der Stadt Girona vor die Kameras und erklärte: "Unser Wille ist es, weiter zu arbeiten, auch in Kenntnis der aktuellen Schwierigkeiten." In den spanischen Medien wurde die Rede so interpretiert, dass er der Amtsenthebung nicht Folge leisten wolle. Er rief die Bevölkerung zugleich zum friedlichen Widerstand gegen die von Madrid beschlossenen Zwangsmassnahmen auf. Zugleich kündigte er die Fortsetzung der Unabhängigkeitsbestrebungen an und rief zur "Gründung eines freien Landes" auf.

Rajoys konservative Volkspartei Partido Popular (PP) warf Puigdemont in einer ersten Reaktion eine "grenzenlose Verantwortungslosigkeit" vor. Die Regierung reagierte dagegen betont zurückhaltend. In Regierungskreisen hiess es lediglich: "Die Regierung bewertet die Äusserungen des Herrn Puigdemont nicht." Er sei nicht mehr Chef der Regionalregierung.

Nach Informationen der Zeitung "El Pais" hat Rajoy Vizeregierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría mit der Übernahme der Verantwortung für die täglichen Amtsgeschäfte betraut. Sie hat offiziell den Posten des abgesetzten katalanischen Vizes Oriol Junqueras übernommen. Insgesamt mussten 150 Mitarbeiter der Regierung gehen.

Auch die beiden Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra, Pere Soler und Josep Lluís Trapero, wurden abgesetzt. Im Fall Trapero war zunächst vermutet worden, dass er seinen Posten behalten könne. Soler hat seinen Posten nach Informationen der Zeitung "El Mundo" bereits widerstandslos geräumt. Er habe sich in einem Schreiben von seinen Mitarbeitern verabschiedet. Zum Nachfolger Traperos wurde Ferrán Lopez ernannt. Er war bisher die Nummer zwei bei den Mossos.

Die katalanische Regionalpolizei Mossos d'Esquadra ist in der Region verwurzelt. Bei dem auch gewaltsamen Vorgehen gegen Wähler und Demonstranten bei dem Referendum über die Unabhängigkeit am 1. Oktober hatte sie sich zurückgehalten. Für die Gewalt wurde in erster Linie die spanische Guardia Civil verantwortlich gemacht.

In der digitalen Fassung des Amtsblattes wurden am Samstag auch erste Details zu den geplanten Neuwahlen veröffentlicht. Demnach haben die Parteien für den Wahlkampf 15 Tage Zeit. Er beginnt am 5. Dezember.

In Madrid demonstrierten am Samstag mehrere Tausend Menschen für die Einheit des Landes. In die Fahnen Spaniens gehüllt oder fahnenschwenkend riefen sie "Es lebe Spanien" aber auch "Es lebe Katalonien". Die Demonstranten liessen Ministerpräsident Rajoy hochleben, für Puigdemont gab es dagegen Buhrufe, wenn er in Reden erwähnt wurde.

Das katalanische Parlament hatte am Freitag nur kurz vor der Entscheidung im Senat für einen Prozess zur Loslösung von Spanien und zur Gründung eines unabhängigen Staates gestimmt - allerdings ohne einen Zeitplan festzulegen. Tausende auf den Strassen bejubelten dies als Unabhängigkeitserklärung.

Bei einer Demonstration von ultrarechten Gruppen gegen den Unabhängigkeitsbeschluss beschädigten Teilnehmer am späten Freitagabend Glastüren und Fenster des Radiosenders Catalunya Radio. Nach Berichten der Zeitung "El Diario" und anderer Medien wurden auch Passanten attackiert./er/DP/zb

(AWP)