Von April bis Juni wuchsen die Bruttomonatsverdienste der Arbeitnehmer einschliesslich Sonderzahlungen zwar um 2,9 Prozent zum Vorjahresquartal. "Allerdings stiegen die Verbraucherpreise im selben Zeitraum um 7,6 Prozent", teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit. Daraus errechneten die Experten einen realen (preisbereinigten) Verdienstrückgang von rund 4,4 Prozent. Ein grösseres Minus gab es zuletzt zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020, als die massenhafte Kurzarbeit auf die Verdienste durchschlug. Schon im ersten Quartal 2022 waren die Reallöhne gesunken, wenn auch mit 1,8 Prozent deutlich schwächer.

Auch im Gesamtjahr droht vielen Beschäftigten ein Kaufkraftverlust. So gleichen die bislang vereinbarten Tariferhöhungen den starken Inflationsanstieg bei weitem nicht aus, wie das Tarifarchiv des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) berechnete. Nach den bisher vorliegenden Abschlüssen dürften die Tariflöhne 2022 durchschnittlich um 2,9 Prozent wachsen. Nach Abzug der erwarteten Inflationsrate sinken sie demnach real jedoch um 3,6 Prozent. "Nachdem die Tariflöhne in den 2010er Jahren real relativ deutlich zugenommen haben, drohen 2022 für viele Beschäftigte im zweiten Jahr in Folge Reallohnverluste", sagte der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten.

Besonders im bevorstehenden Herbstquartal droht vielen Beschäftigten ein starker Reallohnverlust. Wegen steigender Energiepreise sagen Ökonomen eine Teuerungsrate von um die neun Prozent oder höher voraus. Aktuell liegt sie noch bei 7,5 Prozent - auch weil Tankrabatt und 9-Euro-Ticket den Preisauftrieb aktuell dämpfen. Allerdings laufen beide Massnahmen Ende August aus.

In der Politik werden deshalb Forderungen nach neuen staatlichen Hilfen laut. In einem Entwurf der SPD-Bundestagsfraktionsführung für die Klausurtagung am 1. und 2. September, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, wird etwa ein ganzes Massnahmenbündel vorgeschlagen, wie Bürger entlastet und die Energieversorgung gesichert werden können. Dazu zählen eine Gas- und Strompreisbremse, die Reform der gerade erst beschlossenen Gasumlage, notfalls der staatliche Einstieg bei Energieversorgern und Direktzahlungen an Ärmere.

(Reuters)