Die für eine Mehrheit nötigen 12 Stimmen sind damit nicht mehr erreichbar. Weil die Verfassungsänderung und die Gesetzesvorlage verknüpft sind, ist die ganze Reform gescheitert. Ein Volksmehr zur einen oder anderen Vorlage würde daran nichts ändern.

IN DER SACKGASSE

Nun ist guter Rat teuer, denn tragfähige Alternativen zur gescheiterten Reform sind nicht in Sicht. Mehrere Anläufe, einzelne Reformanliegen umzusetzen, sind in den letzten Jahren an der Urne gescheitert. 2004 lehnte die Stimmbevölkerung das Rentenalter 65 für Frauen ab, 2010 erlitt die Senkung des Mindestumwandlungssatzes Schiffbruch.

Aus diesem Grund legte der Bundesrat 2014 ein Reformpaket vor, mit dem erste und zweite Säule gemeinsam angepasst werden sollten. Darin waren zwar Einbussen für die Versicherten, aber auch Rentenverbesserungen vorgesehen. Für die linke Basis und die Gewerkschaften war diese Reform trotzdem untragbar. CVP und SP zimmerten darum im Parlament eine Vorlage, hinter der auch eine Mehrheit der Linken stehen konnte.

GEBEN UND NEHMEN

Frauen sollten zwar wie Männer in der Regel bis 65 Jahre arbeiten. Auch der Umwandlungssatz in der obligatorischen beruflichen Vorsorge wäre von 6,8 auf 6% gesenkt worden. Über 44-Jährige wären davon zwar verschont geblieben, doch für alle jüngeren Versicherten hätte das eine Rentenkürzung von 12% bedeutet.

Diese Einbussen sollten mit zusätzlichen Pensionskassenbeiträgen und einem höheren versicherten Lohn ausgeglichen werden. Die Mehrwertsteuererhöhung von 0,6% hätte die AHV-Finanzen für die nächsten Jahre stabilisiert.

Der entscheidende Unterschied zur Vorlage des Bundesrats war jedoch der Rentenzuschlag: Alle neuen AHV-Renten sollten um 70 Franken erhöht werden, die Ehepaar-Renten um bis zu 226 Franken. Damit holte die Koalition aus CVP, SP, Grünen, Grünliberalen und BDP die Mehrheit der linken Basis und der Gewerkschaften an Bord - trotz tieferem Umwandlungssatz und Frauenrentenalter 65.

UNEINIGE GEGNER

Westschweizer Gewerkschaften und die JUSO leisteten trotzdem Widerstand und ergriffen erfolgreich das Referendum. Der AHV-Zuschlag machte die Reform der Altersvorsorge für die rechtsbürgerlichen Parteien SVP und FDP sowie die grossen Wirtschaftsverbände unverdaulich.

Dieser führe zu einer Zweiklassen-AHV, weil die heutigen Rentner nicht davon profitierten, argumentierten sie. Auch der Generationenvertrag werde gebrochen, da den Jungen die ungedeckten Kosten des Rentenzuschlags aufgebürdet würden.

Richtig ist, dass die geplante Reform nicht nachhaltig war: Ohne erneute Anpassungen wäre die AHV in 20 Jahren teilweise zahlungsunfähig gewesen. Richtig ist aber auch, dass diese Situation nun schon in 10 Jahren eintreten wird.

KEIN PLAN B

Überzeugende Ideen, wie dies abgewendet werden könnte, liegen derzeit nicht vor. Der vage "Plan B" der FDP enthält im Wesentlichen jene Elemente, die in den letzten Jahren von der Stimmbevölkerung haushoch abgelehnt worden sind.

Ob kleinere Korrekturen an den Pensionskassenplänen von Frauen und älteren Arbeitnehmenden ein anderes Resultat herbeizuführen vermögen, ist fraglich. Angesichts der steigenden Lebenserwartung liebäugeln viele Bürgerliche sogar mit Rentenalter 67 - ein derzeit nachweislich nicht mehrheitsfähiges Ansinnen.

Auch für die Rezepte der Linken, die AHV markant zu erhöhen und die Arbeitgeber stärker zur Kasse zu bitten, sind keine Mehrheiten in Sicht. Auch eine Initiative zur Abschaffung der zweiten Säule dürfte es schwer haben.

GELÄHMTER BUNDESRAT

Die nun schon 20 Jahre währende Blockade dürfte also andauern. Überwinden müsste sie Bundesrat Alain Berset, der sich am Freitag als Innen- und Sozialminister bestätigen liess. Doch Berset ist der grosse Verlierer dieses Abstimmungssonntags: Er hat die Reform als alternativlos verkauft. Darum wird er nun Mühe haben, eine glaubwürdige Alternative aufzubauen.

(AWP)