"Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren", sagte Parteichef Christian Lindner in Berlin. "Den Geist des Sondierungspapiers können und wollen wir nicht mitverantworten." CDU-Chefin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer wie auch die Grünen-Spitze bedauerten die Entscheidung. Merkel sagte, sie werde Deutschland auch als geschäftsführende Kanzlerin durch schwierige Wochen führen. Die Grünen erhoben schwere Vorwürfe gegen die FDP, die ein Scheitern offenbar schon länger geplant hätten.

Der Euro gab am Montagmorgen in Fernost nach. An der Börse in Tokio spielte die Entwicklung dagegen zunächst eine nachgeordnete Rolle.

Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung ist völlig offen, wie eine Regierungsbildung weiter verlaufen könnte. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte die Parteien an die Verantwortung erinnert, eine Regierung zustande zu bringen. Die SPD betonte in den vergangenen Tagen immer wieder, dass sie nicht für die Bildung einer neuen großen Koalition zur Verfügung stehe. Fraktionschefin Andrea Nahles sagte am Abend im ZDF: "Die große Koalition wurde ganz klar abgewählt." Dass die SPD in die Opposition gehe, sei "keine Schmollreaktion". Sie betonte zudem: "Unser Auftrag ist es, dass wir wieder Mehrheiten kriegen für Koalitionsbildungen, die wieder besser zusammenpassen."

SPD will nicht in Regierung

Bleiben die Sozialdemokraten bei ihrer Aussage, gäbe es wohl als Alternativen nur Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung. Die Linken forderten noch in der Nacht einen neuen Urnengang. Dies wäre "die demokratisch angemessene Konsequenz", sagte Partei-Vorsitzende Katja Kipping der "Berliner Zeitung" einem Vorabbericht zufolge. "Mögen die Schwampel-Murkser Angst vor dem Urteil der Wählerinnen und Wähler haben - die Linke wird sich dem stellen." In der Union wurde Gerüchten widersprochen, Merkel selbst strebe Neuwahlen an und habe als Termin dafür den 22. April angepeilt. "Das ist totaler Quatsch", heißt es in CDU-Kreisen.

Theoretisch wäre auch ein zweiter Anlauf der Jamaika-Sondierer nach einer Abkühlphase denkbar. Derzeit ist Merkel bis zur Bildung einer neuen Regierung geschäftsführend im Amt. Grünen-Politiker Jürgen Trittin sprach von der Gefahr, dass Deutschland nun längere Zeit eine geschäftsführende Regierung haben könnte. Eine Minderheitsregierung von Union und Grünen schloss er aus: "Deutschland muss stabil regiert werden, und dafür bedarf es einer Mehrheit im Parlament", sagte Trittin im ZDF. "Wenn die komplette Politikverweigerung der SPD anhält, weiß ich nicht, wie eine Mehrheit zustande kommen könnte."

Unklar war in der Nacht auch, wie sich die Entwicklung auf den Machtkampf in der CSU auswirkt. Dabei geht es um die Frage, wer die CSU in den bayerischen Landtagswahlkampf 2018 führt. "Es ist schade, dass es am Ende nicht gelungen ist, dies zum Ende zu führen, was zum Greifen nahe war", sagte CSU-Chef Seehofer, der Merkel ebenso wie die Grünen dafür dankte, dass sie in den Verhandlungen einen Kompromiss gesucht habe. Er selbst habe mit einem positiven Sondierungsergebnis gerechnet. Auch Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: "Wir waren zu dieser Verständigung bis zur letzten Sekunde bereit."

Widersprüchliche Signale

CDU, CSU, FDP und Grüne hatten am Sonntag einen letzten Versuch unternommen, sich auf die Grundzüge eines gemeinsamen Regierungspapiers zu einigen. Noch am Abend äußerten sich Unions-Politiker optimistisch, dass eine Einigung gelingen könnte. Aber dann trat Lindner zusammen mit der Führungsspitze der Liberalen vor die Kameras.

In den vergangenen Wochen war immer wieder spekuliert worden, ob die FDP die Verhandlungen würde platzen lassen. Hintergrund war die Vermutung, dass Lindner seine Partei lieber in die Opposition führen würde. Der FDP-Chef kritisierte dagegen nach dem Abbruch der Gespräche, allen Parteien seien sich der Dramatik der Situation bewusst gewesen - und dennoch habe es keine ausreichenden Zugeständnisse gegeben. Die FDP sei für "Trendwenden" gewählt worden. Die Liberalen hatten bei der Bundestagswahl 10,7 Prozent der Stimmen erhalten.

Einer der Kernstreitpunkte in den Sondierungen war auch am Sonntag die Flüchtlingspolitik gewesen. Die Union beharrte auf einer Begrenzung der Zuwanderung und wollten einen Richtwert einer maximalen Nettozuwanderung von 200.000 Personen aus humanitären Gründen pro Jahr. Die Grünen pochten dagegen darauf, dass der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus nach März 2018 freigegeben wird. Dies lehnten sowohl CDU, CSU und FDP ab.

(Reuters)