Die Finanzmärkte profitierten in den vergangenen Jahren massiv von der expansiven Geldpolitik der Notenbanken. Aus globaler Sicht wird sich die Unterstützung der Zentralbanken zwar nicht in derselben Dimension wie bis anhin fortsetzen. Dazu sind die Volkswirtschaften nach der grossen Krise noch nicht gefestigt genug - vor allem in Europa.

Die Europäische Zentralbank (EZB) will angesichts der schwachen konjunkturellen Entwicklung sowie der niedrigen Inflation in Europa eine weitere Lockerung der Geldpolitik vorantreiben. So soll die EZB-Bilanz mit Hilfe von weiteren Anleihekäufen auf das Niveau von Anfang 2012 aufgebläht werden. Damals belief sich die EZB-Bilanzsumme auf drei Billionen Euro, heute sind es etwa zwei Billionen. Experten gehen davon aus, dass die EZB dazu auch Staatsanleihen kaufen wird.

"Die Wahrscheinlichkeit von Staatsanleihekäufen durch die EZB im nächsten Jahr ist sehr hoch", sagt Marcel Louanges, Mitglied des europäischen Portfolio-Komitees und Leiter des europäischen Versicherungsgeschäftes bei Pimco Deutschland, im Video-Interview mit cash.

Aktuell versucht die EZB, Banken über den Kauf von Pfandbriefen und Kreditpaketen (Asset Backed Securities oder ABS) zu entlasten. Das soll Freiräume für neue Darlehen schaffen und die lahmende Kreditvergabe in Schwung bringen.

Louanges hat seine Zweifel, ob dies reichen wird. "Die Unternehmen haben zu viel Cash, die Sparer sparen zu viel. Wir brauchen Konsum und Investitionen. Mit den Staatsanleihekäufen wird die EZB nächstes Jahr dieses Ziel vielleicht etwas erreichen."

Höhere Risiken fahren

Die EZB setze dann mit Staatsanleihekäufen die Anleger unter Druck, andere Vermögensanlagen zu kaufen, so Louanges. "Das heisst Aktien, Unternehmensanleihen oder etwa Anlagen in Infrastruktur. Denn je weniger Staatsanleihen es zu kaufen gibt und je länger die Renditen tief bleiben, desto höher wird der Druck auf Privatanleger, Risiken zu fahren."

Die Bond-Renditen werden daher auch in Zukunft niedrig bleiben, "aber wahrscheinlich nicht mehr viel tiefer als heute schon", so der Pimco-Anlagespezialist. Profitieren werden Dividendenpapiere, auch auf mittel- bis langfristige Sicht: "Wir sind positiver für die Aktien in den nächsten Jahren im Vergleich zum Rentenmarkt. Anleihen werden zwar besser laufen als Cash, aber für die nächsten fünf Jahren sollte man bei Anleihen jährlich bloss etwa 3 Prozent erwarten. Im Aktienmarkt erwarten wir 5 Prozent oder mehr, weil die Dividendenrenditen hoch bleiben." Der Aktienmarkt habe auch die Tatsache noch nicht diskontiert, dass die Renditen im Rentenmarkt für eine längere Zeit strukturell tiefer bleiben als früher, so Louanges.

Während die Zentralbanken der USA, von England und bis Japan bereits umfangreiche Staatsanleihen-Kaufprogramme vorgenommen haben, scheute die EZB bislang vor diesem Schritt zurück. Grund dafür ist auch der Widerstand aus Deutschland. So erklärte die deutsche EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger, der Kauf von Staatsanleihen könne "nur ein allerletztes Mittel" sein, um eine Deflation zu bekämpfen.

Im cash-Video-Interview äussert sich Matthieu Louanges zum Wirtschaftswachstum in Europa und zu den Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Konjunktur.

Das Video-Interview mit Matthieu Louanges wurde letzte Woche am Rande der Morningstar Investment Conference in Frankfurt geführt.