cash: Herr Oudmayer, die Cembra Money Bank feierte letzte Woche ihr fünfjähriges Bestehen. Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie auf die Zeit seit Oktober 2013 zurückblicken?

Robert Oudmayer: Es war eine spannende Zeit. Ich habe letzte Woche mit einem Investor gesprochen. Er sagte mir: Es gab in den vergangenen fünf Jahren nicht so viele erfolgreiche Börsengänge wie derjenige von Cembra Money Bank. Darauf können wir stolz sein. Ich bin sehr glücklich, dass wir bisher kein Ziel verfehlt haben. Cembra hat bis anhin immer gehalten, was sie versprochen hat. Das macht unsere Bank verlässlich und vertrauenswürdig.

Welches waren die grössten Herausforderungen?

Die grösste Herausforderung war nicht die Führung des Geschäftes. Darin hatten wir bereits sehr viel Erfahrung. Es war viel mehr der Schnitt, das heisst der Neuanfang als Unternehmen. Wir waren zuvor als GE Money Bank Teil eines starken US-Konglomerates. Als Cembra Money Bank standen wir dann ab Oktober 2013 als eigenständiges, börsenkotiertes Unternehmen da. Da muss man eine neue Firmenkultur und neue Werte aufbauen. Das schaffen Sie nicht in sechs Monaten, sie brauchen Jahre dafür. Ich bin überzeugt, dass wir dies nun geschafft haben.

Sie haben rund 700 Mitarbeiter…

…wir sind mittlerweile 800. Allein in diesem Jahr kamen neue 80 Angestellte hinzu. Wir beschäftigen Mitarbeiter aus über 40 Nationen. Im Direktgeschäft sind wir sehr schweizerisch. Unser Verkäufer im Wallis ist Walliser, das war schon immer so und soll so bleiben. Im Back Office dagegen sind wir äusserst international. Schliesslich ist Vielfalt neben Engagement, Kundenfokus und Verantwortung einer der vier Werte, die unsere Bank tagtäglich lebt. Wir verzeichnen mehr und mehr Mitarbeitende, die von grösseren Firmen zu uns gewechselt haben. Bei uns können sie Dinge verändern und das Geschäft und die Zukunft von Cembra mitgestalten, was bei Grossunternehmen erfahrungsgemäss schwierig ist. Unsere Belegschaft ist übrigens zu 50 Prozent weiblich. Zudem bieten wir verschiedene Arbeitsmodelle und flexible Arbeitszeiten. Cembra ist eine attraktive Arbeitgeberin. Dafür spricht auch, dass ein Angestellter durchschnittlich während neun Jahren für die Bank arbeitet. Das ist ein hoher Wert.

Ist der Zuwachs von 80 Mitarbeitern akquisitionsbedingt oder haben Sie aktiv Leute eingestellt?

Wir haben hauptsächlich aktiv neue Mitarbeitende eingestellt. Durch die Übernahme von Swissbilling im Jahr 2017 kamen etwa 25 neue Leute dazu. Wir sind im letzten Jahr 12 Prozent gewachsen und 4 Prozent im ersten Halbjahr 2018. Wir verzeichnen jedes Jahr einen Zuwachs von 70‘000 und 80‘000 Kunden, vor allem im Kreditkartengeschäft. Da benötigen wir zwangsläufig mehr Arbeitskräfte.

Cembra ist ja in den Geschäftsfeldern Autofinanzierung, Konsumkredite und Kreditkarten tätig. Welches Zahlmittel benützen Sie beim Einkaufen?

Ich bevorzuge kontaktloses Bezahlen mit der Karte (holt seine zwei Mastercard-Cumulus-Karten hervor). Schauen Sie, die sind schon ziemlich abgenützt, weil sie schon sehr viel gebraucht worden sind. Ich bin fast bargeldlos unterwegs. Das kontaktlose Zahlen nimmt generell zu. Das sehen wir auch in unserem Geschäft.

Wie positioniert sich Cembra im Zukunftsmarkt der digitalen und mobilen Zahlungssysteme?

In diesem Markt geschieht sehr viel. Vor ein paar Jahren kam Apple mit Apple Pay, es gibt Google Pay, aus Asien kommen WeChat und Alipay, in der Schweiz gibt es Twint, traditionelle Anbieter wie Mastercard oder PayPal haben Plattformen aufgebaut. Ich denke, es wird hier einen Gewinner geben, aber ich weiss nicht wer. Er wird kaum aus der Schweiz kommen, sondern aus einem grossen Markt. Wir sind eine mittelgrosse Bank und können es uns nicht leisten, in alle neuen Technologien zu investieren. Wir schauen, wer das Rennen macht. Unsere Strategie ist die eines 'Smart Follower'.

Anbieter wie die britische Smartphone-Bank 'Revolut' haben in der Schweiz bereits Zehntausende von Kunden. Revolut hat im Gegensatz zu traditionellen Kreditkarten kaum Gebühren und bietet attraktive Wechselkurse, wenn man im Ausland bezahlt. Das müsste Sie beunruhigen.

Revolut ist eine Prepaid-Debitkarte. Darauf müssen Sie vorher Geld laden. Das ist der Unterschied zu unserem Geschäft. Wir geben den Leuten einen Kredit. Und das machen die wenigsten der Fintechs auf diesem Gebiet.

Wird der Fintech-Markt die traditionelle Finanzwelt umwälzen?

Ich habe in den letzten Jahren sehr viel Zeit investiert, um den Fintech-Markt zu studieren. Dort sind extrem viele schlaue Leute am Werk. Aber auch hier gilt: Es ist ungemein schwierig vorauszusagen, wer gewinnen wird. Viele gute Ideen kommen gar nicht erst zur Ausführung. Denn auch als Fintech-Firma sieht man sich mit wichtigen unternehmerischen Fragen konfrontiert wie Grösse, Finanzierung oder Regulierung. Vor allem letztere kostet viel Geld.

Wie ist Ihre Strategie in der Schweiz im Kreditkartengeschäft und bei zukünftigen Zahlungsmethoden? Cembra ist ja Herausgeberin der Cumulus-Mastercard der Migros.

Wenn man in der Schweiz eine gewisse Grösse erreichen will, ist man im Kreditkartengeschäft auf Coop oder Migros angewiesen. Wir arbeiten seit 2006 eng mit der Migros zusammen. Wir können für Anbieter auch in Zukunft die von ihnen gewünschten Zahlungsmethoden einrichten. Auch hier zählt unsere 'Smart Follower'-Haltung: Wir werden uns dem Gewinner bei den Zahlungsmethoden anschliessen.

85 Prozent des Kreditkartengeschäftes von Cembra stammt von der Cumulus-Karte. Ist das nicht ein grosses Klumpenrisiko?

Die Migros ist eine fantastische Partnerin. Es gibt keine zweite Migros im Schweizer Markt. Wir haben den Cumulus-Vertrag im letzten Jahr um weitere fünf Jahre verlängert. Aber klar, wir streben nach mehr Diversifikation. Um ein Programm mit einem neuen Partner aufzubauen, brauchen wir ein Minimum von etwa 10‘000 Kreditkarten. Unsere Fnac-Mastercard ist ein gutes Beispiel dafür.

Sie haben 25 Millionen Franken für die Digitalisierung des Geschäftes für drei Jahre veranschlagt. Reicht das?

Ja. Die Digitalisierung ist kein Projekt, es ist eine Reise. Wir versuchen im Kundenkontakt die Balance zu finden. Leute, die uns beispielsweise anrufen möchten, sollen dies nach wie vor tun können. Für andere Kunden bauen wir den Online-Service aus. Es würde in der Schweiz in unserem Geschäft auch nicht funktionieren, als rein digitales Unternehmen aufgestellt zu sein.

Die Senkung des Maximalzinssatzes für Konsumkredite durch den Bundesrat Ende 2015 veranlasste die Cembra zu einem verhaltenen Geschäftsausblick. Waren Sie damals nicht zu pessimistisch?

Die Einschätzung von Folgen solcher Massnahmen ist äusserst schwierig.  Wir hatten nach der Einführung der neuen Maximalzinssatzes tatsächlich Verluste im Geschäft mit Konsumkrediten. Aber wir konnten dies wettmachen mit dem hohen Wachstum im Kreditkartengeschäft und mit Akquisitionen. Ich habe swissbilling schon erwähnt, wir kauften im letzten Jahr auch EFL Autoleasing in Winterthur. Das stärkt unser Autofinanzierungsgeschäft.

Planen Sie weitere Akquisitionen?

Wir halten die Augen ständig nach weiteren Übernahmen offen. Doch wir müssen realistisch sein: Es gibt nicht viele Übernahmemöglichkeiten in der Schweiz. Eine Akquisition muss in unsere Strategie passen, sie muss profitabel sein, und der Kaufpreis muss stimmen. Wir konzentrieren uns auf die verschiedenen Bereiche der Konsumfinanzierung und das vor allem in der Schweiz. Wir haben unsere Stärke in der Schweiz und kennen den Schweizer Markt ausgezeichnet. Unsere Leute sind seit über 25 Jahren hier verankert.

Können Sie punkto Übernahmen etwas genauer sein?

Interessant wären sicher Firmen im Konsumkreditgeschäft oder Unternehmen, die damit verbunden sind. Und Sie wissen: Wir lieben das Kreditkartengeschäft. Auch solche Firmen sind interessant für Übernahmen.

Nach dem Rekord-Ersthalbjahr 2018 haben Sie die Prognose für den Gewinn pro Aktie auf zwischen 5,20 und 5,50 Franken erhöht. Gilt dies aus heutiger Sicht noch immer?

Wir können diese 'Guidance' bestätigen. Wir haben ein gutes Jahr, wahrscheinlich ein besseres als letztes Jahr. Wir haben den Ruf, dass wir unsere Ziele erfüllen.

Letztes Jahr zahlte Cembra eine Sonderdividende. Wie sieht es dieses Jahr aus damit?

Wir haben die Politik, eine Sonderdividende zu zahlen, wenn die Kernkapitalquote über 20 Prozent liegt. Ende dieses Jahr wird sie nicht über dieser Marke liegen. Daher kann man für dieses Jahr keine Sonderdividende erwarten.

Analysten erwarten, dass die Quote Ende 2019 über 20 Prozent liegt.

Wir schauen bei dieser Entwicklung nicht ins nächste Jahr.

Wann erwarten Sie, dass die Zinsen in der Schweiz steigen?

Einen Zinsanstieg hatte ich schon 2012 erwartet, 2013 auch (lacht)… Das lässt sich eben nicht voraussagen. Im wahrscheinlichsten Fall werden die Zinsen langsam ansteigen.

Im cash-Video-Interview äussert sich Robert Oudmayer zur Aktie von Cembra, zur Marktkorrektur und zu Unterschieden zwischen Holländern und Schweizern.

Robert Oudmayer, Jahrgang 1962, ist Niederländer und seit 2009 erst der GE Money Bank, nach der Abspaltung vom Mutterkonzern General Electric (GE) ab Oktober 2013 dann CEO der Cembra Money Bank. Er arbeitete zehn Jahre bei PSA Peugeot Citroën in den Niederlanden und in Frankreich, ehe er 1999 zu General Electric stiess. 2003 wechselte er als Managing Director Auto und Retail Sales Finance zu GE Consumer Finance in die Schweiz. Als CEO leitete er von 2005 bis 2009 GE Money und GE Fleet Services in Portugal.