Die britische National Crime Agency schätzt, dass jedes Jahr mehr als 90 Milliarden Pfund an korruptem Geld in das Vereinigte Königreich fließt und eine große Schar an Immobilienunternehmen, Anwälten, Bankern und Buchhaltern versorgt. Ein Großteil davon kommt aus Russland und landet in hochpreisigen Immobilien. Ungefähr ein Fünftel der verdächtigen Immobilienkäufe von 2008 bis 2015, im Wert von 729 Millionen Pfund, wurde von Russen getätigt, geht aus Angaben von Transparency International hervor.

"Mit Blick auf die Höhe der Finanzströme, die durch London fließen, ist es wahrscheinlich, dass dies eines der größten Geldwäsche-Zentren der Welt ist", sagt Ben Cowdock, der leitende Analytiker der Anti-Korruptions-Organisation über schmutziges Geld in Großbritannien

Der höchste US-Sanktionsbeamte, Sigal Mandelker, hatte am 10. April während eines Aufenthalts in London eine Warnung ausgesprochen. Er sagte, britische Banken werden mit "Konsequenzen" zu rechnen haben, wenn sie weiterhin Geschäfte mit Personen und Organisationen machen, die auf der schwarzen Liste stehen. "Die Regierung ist in einer sehr schwierigen Situation", sagt Tom Keatinge, Leiter des Zentrums für Finanzkriminalität und Sicherheitsstudien des Royal United Services Institute in London. Es gebe "Erwartungen, dass sie in der Lage sein wird, Milliarden Pfund illegaler russischer Finanzmittel aufzudecken."

Großbritannien hat angekündigt, dass 700 Visa für wohlhabende Russen überprüft werden, und verfügt über ein neues Instrument zur Bekämpfung korrupter Gelder, sogenannte Unexplained Wealth Orders. Die Regulierungsbehörden setzten es im Februar zum ersten Mal ein, um zwei Immobilien im Wert von 22 Millionen Pfund, die einer nicht identifizierten Person gehören, einzufrieren. Im vergangenen Jahr hatte die Financial Conduct Authority der Deutschen Bank eine Geldbuße in Höhe von 163 Millionen Pfund auferlegt - die größte Strafe, die jemals in Großbritannien wegen eines Verstoßes gegen die Geldwäschebestimmungen verhängt wurde. Es ging dabei um den Transfer von unbekannten 10 Milliarden Dollar aus Russland auf Offshore-Bankkonten.

Michael O’Kane, Leiter Wirtschaftskriminalität bei der Anwaltsfirma Peters & Peters, berichtet, dass eine Anzahl Russen sich vor kurzem an die Kanzlei gewandt hat. "Ich denke, dass es definitiv anfängt, einen abschreckenden Effekt zu haben", sagt er. "Da sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern verschlechtern, werden sie vielleicht anfangen, nach alternativen Plätzen zu suchen."

"Hexenjagd" in Grossbritannien?

Russen, die Großbritannien seit langem als Land favorisieren, in dem sie ihre Kinder auf Schulen schicken, und wegen der Rechtssicherheit, waren schon vor den US-Sanktionen alarmiert. Die Anwälte zweier russischer Milliardäre mit Immobilien im Vereinigten Königreich berichten, dass ihre Klienten in den letzten Monaten große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gebeten hatten, ihre Finanzen, einschließlich ihres Einkommens und der von ihnen gezahlten Steuern, über mindestens 15 Jahre zu überprüfen. Die Anwälte sagten, die Auditoren hätten nichts Regelwidriges gefunden.

Einer der prominentesten russischen Milliardäre in Großbritannien, zusammen mit Roman Abramovich, dem Eigentümer des Fußballvereins Chelsea Soccer Club, ist Alisher Usmanov. Er besitzt ein Tudor-Herrenhaus, das einst J. Paul Getty gehörte und 30 Prozent des Londoner Fußballvereins Arsenal F.C. Alle britischen Vermögenswerte von Usmanov "wurden mit versteuertem Einkommen in strikter Einhaltung britischer Gesetze erworben", teilte das Büro des Moskauer Geschäftsmanns per E-Mail mit. Usmanov verfüge über alle notwendigen Dokumente, einschließlich der Berichte von Anwaltsfirmen und Prüfungsgesellschaften.

Andrey Yakunin, der einen Investmentfonds mit einem Anlagevolumen von 400 Millionen Dollar in London betreibt, sagt, es bestehe das Risiko einer "Hexenjagd" in Großbritannien, wenn auch mit weniger Risiko als anderswo. Yakunins Vater Wladimir, der bis 2015 das staatliche russische Eisenbahnmonopol leitete, ist ein Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Yakunin, der die britische Staatsbürgerschaft besitzt, hat bestritten, Hilfe von seinem Vater zu bekommen und sagt, er könne "gegenüber jeder Aufsichtsbehörde" Rechenschaft darüber ablegen, wie er Geschäfte mache und woher alle Gelder kommen.

Der exilierte russische Geschäftsmann Andrey Borodin, dessen Herrenhaus in Berkshire die teurste Immobilie in Großbritannien war, als sie im Jahr 2011 erworben wurde, bezweifelt, dass Großbritannien "große Namen" unter den Russen ins Visier nehmen wird. Und zwar weil Wirtschaftsmagnaten "viele Rechtsanwälte, Berater, Banker" haben. Jedoch werden Russen wahrscheinlich in andere Rechtsgebiete umziehen. "Sie werden ihre Kinder immer noch auf Schulen in Großbritannien schicken", sagt er, "aber sie werden ihr Geld nicht hier behalten."

(Bloomberg)