Die Opposition hatte am Montag bereits vergeblich gefordert, Truss solle Rede und Antwort stehen. Dass die Premierministerin stattdessen ihren neuen Finanzminister Jeremy Hunt vorschickte und wortlos im Parlament zuhörte, wie er ihre erst kürzlich angekündigten Steuererleichterungen Stück für Stück rückgängig machte, brachte ihr Spott und Kritik ein.

Die 180-Grad-Wende in der Steuerpolitik galt als unausweichlich, nachdem die ohne Gegenfinanzierung vorgestellten Erleichterungen schwere Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst hatten. Ex-Finanzminister Kwasi Kwarteng musste deshalb seinen Stuhl räumen.

Auch wenn sich die Märkte inzwischen etwas beruhigt haben, gilt die Regierungschefin sechs Wochen nach ihrem Amtsantritt bereits als so gut wie erledigt. Einer Umfrage zufolge haben 80 Prozent der Briten eine negative Meinung von ihr. Mehr als die Hälfte der Mitglieder der Konservativen wünscht sich ihren Rücktritt.

Bei einer Kabinettssitzung am Dienstag räumte Truss ein, einen Fehler gemacht zu haben. Die Steuererleichterungen seien zu schnell gekommen und und zu weitgehend gewesen, sagte Truss einem Sprecher zufolge. Sie habe aber versichert, weiterhin vollkommen ihrer Wachstumsagenda verpflichtet zu sein. Ihrem Vorgänger Boris Johnson war mit starken Auftritten im Unterhaus in Krisenzeiten immer wieder der Befreiungsschlag gelungen. Truss jedoch gilt als rhetorisch nicht besonders begabt.

Neben ihrem eigenen Auftritt bei der als Prime Minister's Question Time bekannten Fragestunde (13 Uhr MESZ) dürfte viel Aufmerksamkeit auch das Mass an Unterstützung bekommen, das Truss von ihren Abgeordneten erhält. Die Tories, wie die Konservativen in Grossbritannien auch genannt werden, sind dafür bekannt, ihren Parteichefs bei Parlamentsdebatten lautstark beizupflichten. Bleibt das aus, würde das als Zeichen gewertet, dass sie an Rückhalt verloren haben.

Fünf Abgeordnete ihrer Fraktion hatten inzwischen öffentlich die Ablösung von Truss gefordert. Viele weitere haben Medienberichten zufolge intern ihren Unmut geäussert. Erwartet wird aber, dass sich die konservative Fraktion vor einem Sturz der Premierministerin auf einen Nachfolgekandidaten einigen will, um ein weiteres zeitraubendes Auswahlverfahren mit Befragung der Parteimitglieder zu vermeiden.

Als Favorit gilt Ex-Finanzminister Rishi Sunak, der im Rennen um die Johnsons Nachfolge im Sommer gegen Truss unterlegen war. Ebenfalls als aussichtsreich gelten die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Penny Mordaunt und Verteidigungsminister Ben Wallace. Auch der heutige Finanzminister Hunt wird ins Spiel gebracht.

(AWP)