Die Beitrittsperspektive solle auch als Signal an private Investoren verstanden werden. "Wer heute in den Wiederaufbau der Ukraine investiert, der investiert in ein künftiges EU-Mitgliedsland, das Teil sein wird unserer Rechtsgemeinschaft und unseres Binnenmarkts", sagte Scholz. Er bezeichnete den Wiederaufbau der Ukraine nach dem russischen Angriffskrieg erneut als "Generationenaufgabe".

Die EU hatte die Ukraine im Juni zusammen mit Moldau zum EU-Beitrittskandidaten erklärt. Der Beitrittsprozess kann aber viele Jahre dauern.

Der Kanzler appellierte an die ukrainische Regierung, ihrerseits die Rahmenbedingungen für Investitionen weiter zu verbessern. Er nannte mehr Rechtsstaatlichkeit, mehr Transparenz und einen noch entschiedeneren Kampf gegen die Korruption.

Ukrainischer Regierungschef: "Wir werden in diesem Krieg siegen"

Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal versprach, die Bedingungen für schnelle Investitionen zu schaffen. "Die Ukraine braucht europäische Unternehmen für die Realisierung von mutigen Perspektiven", sagte er laut offizieller Übersetzung. An die deutsche Regierung und die deutsche Bevölkerung gerichtet sagte er: "Sie geben uns die Möglichkeit zu überleben. Wir werden in diesem Krieg siegen."

Schmyhal bezifferte die Kosten des Wiederaufbaus auf nahezu 750 Milliarden US-Dollar (764 Milliarden Euro) - nach derzeitigem Stand. Er hob aber auch die wirtschaftlichen Stärken seines Landes hervor. Er nannte unter anderem die Gasvorkommen, die IT-Infrastruktur und die Landwirtschaft.

Habeck mahnt "akute Winterhilfe" an

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck richtete bei der Konferenz den Blick auf die kurzfristigen Herausforderungen und bezeichnete eine "akute Winterhilfe" als oberste Priorität. Es gehe zum Beispiel um Generatoren, Transformatoren und Netzreparaturen. "Das hat absoluten Vorrang." Habeck sagte weiter, es wäre dringend angezeigt, dass eine deutsche Wirtschaftsdelegation in die Ukraine fahre, so bald es dort wieder stabiler sei.

"Marshallplan" für die Ukraine geplant

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, sagte, die deutsche Wirtschaft stehe an der Seite der Ukraine. Neben der akuten Nothilfe sei auch eine langfristige Perspektive notwendig. "Wir werden die Ukraine nicht im Stich lassen."

Das Wirtschaftsforum ist einer internationalen Expertenkonferenz vorgeschaltet, zu der Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für Dienstag eingeladen haben. Dabei soll erstmals umfassend über einen "Marshallplan" für die Ukraine beraten werden - nach dem Vorbild des gleichnamigen US-Plans für das zerstörte Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird per Video zugeschaltet.

Entwicklungsministerium gibt 406 Millionen Euro

Das Entwicklungsministerium konkretisierte am Montag die Verwendung der im Juli bei einer Wiederaufbaukonferenz in der Schweiz zugesagten 406 Millionen Euro Hilfsgelder für die Ukraine. Der Schwerpunkt soll auf der Versorgung binnenvertriebener Familien, der Reparatur von im Krieg zerstörter kritischer Infrastruktur und der staatlichen Basisversorgung für die Bevölkerung liegen.

"Putins menschenverachtendes Kalkül ist, dass die Ukrainer im Winter bei Kälte und Dunkelheit ihre Kampfesmoral verlieren", sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). "Dem müssen wir uns entgegen stellen und die ukrainische Gesellschaft so stärken, dass sie in diesem schwierigen Winter den Mut nicht verliert. Diese Solidarität zeigt Putin, dass wir uns nicht spalten lassen."/mfi/DP/mis

(AWP)