(Der erste Teil des cash-Interviews mit Thomas Mayer erschien am Montag)

cash: Herr Mayer, in der Schweiz wird die Einführung der Kursuntergrenze zum Euro, die sich eben zum zweiten Mal gejährt hat, als Erfolg gefeiert. Wie lange kann die Massnahme der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gut gehen?

Thomas Mayer: Die Schweiz ist mit der Einführung der Kursuntergrenze ja quasi zu einem Schattenmitglied des Euroraumes geworden. Insofern wird es der Schweiz wohl ähnlich gehen in Deutschland. Die Schweiz wird sich, wenn es so kommt, wie ich vermute, mit uns nach oben inflationieren. Und die Schweizer werden dann ebenso besorgt sein wie die Deutschen. Insofern wäre die Schweiz froh, wenn sich in Deutschland eine Entwicklung mit einer Parallelwährung zum Euro auftäte.

Der Franken selber kann nicht die Parallelwährung des Euros sein.

Nein, das macht die Schweizer Wirtschaft kaputt, und daher führte die SNB auch die Kursuntergrenze ein.

Die Effekte der Kapitalflucht äussern sich auch in den Schweizer Immobilienpreisen.

Ja, Sie in der Schweiz sind da schon ein wenig weiter als wir in Deutschland. Solche Wellen lassen den Unmut der Leute in den Überschussländern ansteigen. Bisher lag das Problem in den Defizitländern, es wird nun aber transferiert von Latein-Europa nach Zentraleuropa. In dieser Übergangsphase gibt es relative Ruhe. Mit der Verschiebung des Problems hat man einmal mehr Zeit gewonnen. Oder besser: Zeit verloren, das Richtige zu tun.

Zum Marktgeschehen: Wird die US-Zentralbank an ihrer Sitzung dieser Woche das Volumen ihrer Anleihekäufe zurückschrauben?

Die Fed hat hohe Erwartungen geweckt. Wenn sie nichts tut, dann wären die Leute noch verwirrter. Andererseits lassen die letzten US-Arbeitsmarktahlen vermuten, dass die Fed das Programm kaum mit Schwung verlassen wird. Die Fed wird die Käufe wohl um einen kleinen Betrag verringern. Der Markt spekuliert derzeit, dass es zehn bis 15 Milliarden Dollar sind. Ich fürchte aber, dass uns diese Frage noch eine ganze Weile begleiten wird.

Eben: Jeden Monat wird gerätselt werden, was die Fed wohl unternehmen wird. Die Märkte hassen Unsicherheit.

Die Schwierigkeit der Fed, aus diesem Programm herauszukommen, wird uns sicher weiter beschäftigen. Das zeigt sich bei den Schwellenländern. Global hat man ein Kartenhaus basierend auf den Finanzmarktpreisen der niedrigen Zinsstrukturkurve der USA aufgebaut. Dieses Kartenhaus wackelt nun und droht die Weltwirtschaft herunterzubringen.

Wiederholt sich die Geschichte der Asienkrise von 1997/1998, welche die Börsen weltweit zum Absturz brachte?

Kaum. Die Emerging Markets sind heute deutlich anders aufgestellt. Damals hatten viele Länder Leistungsbilanzdefizite, es gab viele ‚Pegs‘, also Währungsanbindungen. Es gab im Vergleich zu heute auch hohe Fremdwährungsschulden. Die Pegs sind weitgehend weg, die Schulden deutlich reduziert. Es gibt eine Reihe von Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten. Denken Sie an die Türkei oder an Indien. Diese Länder sind heute auch am Verwundbarsten. Daneben gibt auch Überschussländer wie Südkorea oder China. Gerade China schlägt sich besser, als die Pessimisten erwartet hatten.

Wir sich der Absturz dieser Börsen und Währungen fortsetzen?

Ich sehe das auch differenziert. Neben der Türkei und Indien sind vielleicht auch Brasilien und neuerdings auch Indonesien noch nicht aus dem Gröbsten raus. Bei den Leistungsbilanzdefizitländern muss man genau hinschauen und sich fragen: Unternehmen die etwas? In Indien etwa erhält man den Eindruck, dass die Politik gelähmt ist und dass nichts passiert.

Wie sehen Sie die Aktienmärkte generell in den nächsten Monaten?

Die dürften nicht schlecht laufen, weil alle Zentralbanken fürchterlich Angst haben davor, dass es zu Rückschlägen kommt. Sie werden mit homöopathischen Dosen vorgehen. Die Aktienmärkte dürften dies hinnehmen, wie sich in den letzten Wochen gezeigt hat. Der moderate Zinsanstieg am Bondmarkt wird ein wenig ausgeglichen durch weiterhin positive Erwartungen für die Realwirtschaft.

Wie beurteilen Sie den europäischen Aktienmarkt?

Es ist zwar nicht die Rückkehr einer neuen Dynamik, aber die europäischen Aktienmärkte spüren schon ein Nachlassen des Schmerzes. Das dürfte diese Börsen unterstützen.

Wie sollte eine Vermögenszusammensetzung aussehen?

Man sollte weiterhin auf Aktien setzen. Und ich war und bin ein Freund von Gold, weil ich den Papierwährungen, die von den Zentralbanken enorm vermehrt werden, nicht recht traue. Dann wird man Immobilienblasen sehen in Zentraleuropa. Wenn Investieren in Immobilien, dann in liquide Immobilienvehikel und -fonds. Die nahende Immobilienblase kann daher den Investoren für eine gewisse Zeit noch gute Renditen bringen. Realwerte bleiben also ganz vorne, Nominalwerte sind auch nach dem jüngsten Zinsanstieg nicht besonders attraktiv.

Demnach glauben Sie nicht, dass sich der Zinsanstieg fortsetzen wird.

Nein, das glaube ich nicht.

Waren Sie überrascht vom Preissturz des Goldes in diesem Jahr?

Ja, klar. Das lässt sich fundamental nicht gut erklären. Der Abbau von spekulativen Positionen in Gold-ETF war ja hauptschuldig am Kursrückgang, und die wesentlichen beteiligten Player wie Soros und Paulson sind ja mittlerweile bekannt. Es sieht so aus, als wären jetzt diese Positionen aus dem Markt. Daher die Konsolidierung beim Goldpreis. Ich bleibe weiter positiv für Gold. Es ist keine Asset-Klasse wie Aktien, sondern ich sehe Gold als Währung. Gold ist nicht beliebig vermehrbar in einer Zeit, in welcher die Politik eine Währungsvermehrung liebt.

 

Der erste Teil des Interviews mit Thomas Mayer auf cash.ch erschien am Montag.

Im cash-Video-Interview äussert sich Thomas Mayer auch zu den bevorstehenden Wahlen in Deutschland.

Thomas Mayer war von 2010 bis 2012 Chefökonom der Deutschen Bank und berät heute Grosskunden des Geldinstitutes. Er ist zudem Senior Fellow am Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität und schreibt eine wöchentliche Kolumne für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.