WER WILL KANDIDIEREN?
Bisher hat sich noch keine SP-Politikerin klar dazu bekannt, dass sie kandidieren will. Hingegen gab es bereits mehrere Absagen. Die Partei wurde vom Rücktritt Sommarugas überrascht. Deshalb hatten sich viele potenzielle Kandidatinnen im Vorfeld keine Gedanken über das Amt als Bundesrätin gemacht.
WER IST IM GESPRÄCH?
EVA HERZOG: Als eine Favoritin für Sommarugas Nachfolge sehen Medien und Politologen die Basler Ständerätin Eva Herzog. Sie war bis Anfang 2020 Regierungsrätin und stand dem kantonalen Finanzdepartement vor. Als Vertreterin eines Stadtkantons und einer starken Wirtschaftsregion bringt die 60-jährige Herzog gute Argumente für ein Amt im Bundesrat mit. Herzog schliesst eine Kandidatur nicht aus, wie sie der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Rücktrittstag von Sommaruga sagte. Im Moment könne sie aber noch nicht mehr sagen. Die Historikerin war schon vor zwölf Jahren als Bundesratskandidatin angetreten, unterlag damals aber in der parteiinternen Nomination gegen Sommaruga.
FLAVIA WASSERFALLEN: Die Berner SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen überlegt sich eine Kandidatur, wie sie am Tag nach Sommarugas Rücktritt bekanntgab. Vor dem Entscheid wolle sie aber zunächst mit ihrer Familie und ihrer Partei Gespräche führen. Die 43-jährige Politologin und Verwaltungsrätin lebt in Bern. Von 2002 bis 2012 gehörte sie dem Kantonsparlament an, von 2012 bis 2018 war sie Co-Generalsekretärin der SP Schweiz. Seit Mai 2018 ist sie Nationalrätin. Würde Wasserfallen in die Landesregierung gewählt, müsste die Berner SP eine neue Ständeratskandidatin oder einen neuen Ständeratskandidaten für die Wahlen im Herbst 2023 suchen.
EVI ALLEMANN: Die Berner Regierungsrätin und frühere Nationalrätin Evi Allemann äusserte sich am Tag von Sommarugas Rücktritt unbestimmt. Die 44-jährige Justizdirektorin sagte, dass sich ihr die Frage nach einer Bundesratskandidatur bis heute nie konkret gestellt habe. Am Tag danach sagte sie der "Berner Zeitung", dass sie eine Bundesratskandidatur sorgfältig prüfen wolle. Vor ihrer Wahl in die Berner Kantonsregierung gehörte Allemann von 2003 bis 2018 dem Nationalrat an. Zudem war Allemann Präsidentin des VCS Schweiz und des Mieterverbandes Kanton Bern.
PASCALE BRUDERER: Als Sommaruga vor rund zwölf Jahren in den Bundesrat gewählt wurde, war Pascale Bruderer Nationalratspräsidentin. Später wechselte die populäre Aargauer Politikerin in den Ständerat. 2019 zog sie sich aus der Bundespolitik zurück, um sich ganz dem Unternehmertum zu widmen. Die 45-Jährige ist heute Teilhaberin sowie exekutive Verwaltungsrätin bei einem IT-Start-up-Unternehmen. Bruderer will gemäss Informationen von CH Media bis am 8. November entscheiden, ob sie kandidiert.
In der Romandie gibt es zwei potenzielle Kandidatinnen, die über Regierungserfahrung verfügen. Unterstützung dürften die Westschweizerinnen besonders von Deutschschweizer Männern mit Bundesratsambitionen erhalten. Wenn Sommarugas Nachfolgerin aus der Romandie kommt, steigen die Chancen für die SP-Männer aus der Deutschschweiz, die Nachfolge von Alain Berset anzutreten.
ELISABETH BAUME-SCHNEIDER: Der 58-jährigen jurassischen Ständerätin und früheren Staatsrätin Elisabeth Baume-Schneider wird das Format einer Bundesrätin zugeschrieben. 2002 wurde sie in die Regierung des Kantons Jura gewählt. Sie leitete dort das Erziehungs-, Sport- und Kulturdepartement. 2006 und 2008 präsidierte sie den Regierungsrat. Seit 2019 ist Baume-Schneider Ständerätin. In der kleinen Kammer vertritt sie als Präsidentin der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie wichtige Dossiers.
NURIA GORRITE: Auch der Name der Waadtländer Staatsrätin Nuria Gorrite ist nach dem Rücktritt Sommarugas gefallen. Von 2017 bis im Frühling leitet die 52-Jährige die Kantonsregierung. Sie wurde sie die erste Frau in dieser Position. Zurzeit ist sie Vorsteherin des Departements für Infrastruktur, Kultur und Personelles.
WER HAT ABGESAGT?
PRISKA SEILER GRAF: Die 54-jährige Nationalrätin strebt einen Sitz in der Zürcher Regierung an. Sie will deshalb auf eine Kandidatur für den Bundesrat verzichten, wie sie am Tag nach Sommarugas Rücktrittsankündigung auf Twitter schrieb. Seiler Graf hat eine klassische politische Laufbahn hinter sich: von der Gemeinderätin in Kloten über die Stadtregierung in den Kantonsrat und schliesslich nach Bundesbern. Sie war im Initiativkomitee gegen die Beschaffung der F-35-Kampfjets, scheiterte aber mit dem Anliegen.
JACQUELINE FEHR: Als Kandidatin in Frage gekommen wäre auch die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr. Die 59-Jährige unterlag vor zwölf Jahren gegen Sommaruga. Allerdings wird sie sich am 12. Februar 2023 der Wiederwahl in die Zürcher Regierung stellen, wie sie auf Twitter mitteilte. Sie verzichte deshalb auf eine Bundesratskandidatur.
BARBARA GYSI: Die St. Galler Nationalrätin Barbara Gysi wäre eine weitere mögliche Kandidatin gewesen. Die 58-jährige Sozialpädagogin politisiert seit elf Jahren in der grossen Kammer, strebt aber den Sitz im Ständerat an, den Paul Rechsteiner Ende des Jahres freimachen wird. Sie steht für eine Kandidatur nicht zur Verfügung, wie sie am Tag nach Sommarugas Rücktritt via Twitter bekanntgab.
NADINE MASSHARDT: Ebenfalls am Tag nach Sommarugas Rücktritt nahm sich die Berner Nationalrätin Nadine Masshardt aus dem Rennen für die Nachfolge. Sie stehe nicht zur Verfügung und wolle sich auch künftig als Nationalrätin und Konsumentenschützerin für Mensch und Umwelt einsetzen, schrieb sie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Zwar würde sie ein Exekutivamt irgendwann einmal reizen, doch das Amt der Bundesrätin mit der dafür nötigen Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit könne sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, erklärte die 38-jährige Präsidentin der Stiftung Konsumentenschutz Schweiz.
MATTEA MEYER: Die Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer steht als Kandidatin nicht zur Verfügung, wie sie direkt nach Sommarugas Rücktrittsankündigung vor den Medien in Bern bekanntgab. Die bald 35-Jährige war Ende Oktober als Co-Präsidentin der SP Schweiz wiedergewählt worden. Sie wolle sich in dieser Rolle auf den Wahlkampf im Herbst 2023 konzentrieren.
Weil die SP-Führung explizit Kandidatinnen aus allen Landesteilen für eine Kandidatur sucht, sind auch Tessiner SP-Politikerinnen nicht ausgeschlossen. Die Bekannteste unter ihnen hat aber bereits abgesagt.
MARINA CAROBBIO GUSCETTI: Die ehemals "höchste Schweizerin" Marina Carobbio Guscetti ist Vizepräsidentin der SP. Im November 2019 wurde sie in den Ständerat gewählt. Nun kandidiert die 56-Jährige für den Tessiner Staatsrat, der im April neu gewählt wird. Für ihre Kantonalpartei ist sie die Hoffnungsträgerin. Sie wolle sich auf diese Aufgabe konzentrieren, liess sie am Tag nach Sommarugas Rücktrittsankündigung ausrichten. Ihre Wahlchancen als Bundesrätin wären sowieso nur gering gewesen, denn mit Ignazio Cassis sitzt bereits ein Tessiner im Bundesrat.
REBECCA RUIZ: Die Waadtländer Staatsrätin Rebecca Ruiz will nicht für die Nachfolge von Sommaruga kandidieren. Sie möchte sich auf ihr Amt als Gesundheitsdirektorin konzentrieren, teilte Ruiz mit. Die 40-jährige Kriminologin ist mit der Bundespolitik vertraut, da sie von 2014 bis 2019 Nationalrätin war.
(AWP)