Nach dem Votum des spanischen Senats trat der Ministerrat in Madrid zusammen. Die Minister wollten die Massnahmen billigen, für die der Senat den Weg freigemacht habe, twitterte Regierungschef Mariano Rajoy am Freitagabend. Als eine der ersten Massnahmen soll Medienberichten zufolge die Absetzung des katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont und seines Vizes Oriol Junqueras eingeleitet werden. Wann das geschehen soll, war zunächst unklar. Weitere Schritte sollen nach und nach folgen.

In Barcelona stimmten für die Annahme der Resolution vor allem die Abgeordneten von Puigdemonts Regierungsbündnis JxSí ("Gemeinsam fürs Ja") sowie der linksradikalen Partei CUP. Das Ergebnis lautete 72:10 bei zwei Enthaltungen. Die meisten Abgeordneten der Opposition hatten nach heftiger Debatte noch vor der Abstimmung den Saal verlassen.

Die Abgeordneten standen nach Bekanntgabe des Abstimmungssieges von ihren Sitzen auf und sangen die katalanische Nationalhymne. Vor dem Parlament versammelten sich nach Medienschätzung mehr als 15 000 Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung, die das Ergebnis der Abstimmung feierten.

Rajoy rief die Spanier nur wenige Minuten nach der Abstimmung in Barcelona zur Besonnenheit auf. "Ich bitte alle Spanier um Ruhe. Der Rechtsstaat wird die Legalität in Katalonien wieder herstellen", twitterte er.

Im Senat hatte Rajoy der Regierung in Barcelona zuvor Missachtung der Gesetze und eine Verhöhnung der Demokratie vorgeworfen. Die Regionalregierung habe am 1. Oktober eine illegale Volksabstimmung abgehalten ohne jede demokratischen Garantien, sagte Rajoy. "Was würden zum Beispiel wohl Frankreich oder Deutschland machen, wenn eine Region ein illegales Referendum über die Unabhängigkeit abhalten würde?", fragte der Ministerpräsident.

Während die Regionalregierung die Gesetze breche, habe Madrid lange auf eine Anwendung des Artikels 155 verzichtet, weil es Hoffnung gegeben habe, dass die Politiker in Barcelona zur Normalität zurückkehren könnten.

Die von der Regionalregierung wiederholt beteuerte Gesprächsbereitschaft tat er als taktischen Winkelzug ab. "Der einzige Dialog, der mir (von Puigdemont) angeboten wurde, war der über die Bedingungen und den Zeitplan für die Unabhängigkeit Kataloniens." Dies verbietet ihm aber die spanische Verfassung.

In seiner mit viel Applaus bedachten Rede rief Rajoy zu einer parteiübergreifenden Antwort auf. Es gehe nicht um Parteien oder nur um Katalonien, es gehe um den Staat.

Die Bundesregierung wandte sich am Freitag klar gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens. "Die Souveränität und territoriale Integrität Spaniens sind und bleiben unverletzlich. Eine einseitig ausgerufene Unabhängigkeit Kataloniens verletzt diese geschützten Prinzipien", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Ein Loslösung Kataloniens ohne Spaniens Zustimmung verletze "nicht nur die spanische Verfassung, sondern auch die territoriale Integrität Spaniens und damit das Völkerrecht", sagte auch der Präsident der Europäischen Linken, Gregor Gysi. Dabei berufe sich die katalanische Regierung auch auf das Kosovo als Präzedenzfall. "Es war ein gravierender Fehler der Nato, das Kosovo von seinem Staat ohne Zustimmung des Staates zu trennen", so Gysi.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker warnte unterdessen vor "weiteren Rissen" in der EU. "Ich möchte nicht, dass die Europäische Union morgen aus 95 Staaten besteht", sagte Juncker nach Angaben des Senders BFMTV vor Journalisten in Französisch-Guyana. Der Kommissionschef war mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in dem französischen Überseegebiet unterwegs. Macron stellte sich erneut hinter Rajoy. "Es gibt einen Rechtsstaat in Spanien, mit verfassungsmässigen Regeln. Er (Rajoy) möchte ihnen Respekt verschaffen, und er hat meine volle Unterstützung."

Die USA bekundeten ebenfalls ihre Unterstützung für die Massnahmen der spanischen Regierung. Katalonien sei ein integraler Bestandteil Spaniens, hiess es in einer Mitteilung des Aussenministeriums.

Die katalanische Regierung hatte am 1. Oktober ungeachtet eines Verbots durch das Verfassungsgericht und gegen den Willen Madrids ein Referendum über die Unabhängigkeit abhalten lassen. Rund 90 Prozent der Teilnehmer stimmten für eine Abspaltung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei gut 40 Prozent. Der Konflikt zwischen Spanien und Katalonien schwelt schon seit Jahrhunderten, verschärft wurde er in jüngster Zeit auch durch die Wirtschaftskrise./er/DP/stb

(AWP)