Die Kolumne "Gopfried Stutz" erschien zuerst im 

Von Arthur Schopenhauer stammt der Satz: "Heiraten heisst, die Rechte halbieren und die Pflichten verdoppeln." Ob der berühmte Philosoph, geboren vor 231 Jahren, dieses Phänomen als Heiratsstrafe bezeichnete, ist nicht überliefert.

Klar ist indessen, was Politiker in Bern unter Heiratsstrafe verstehen: nämlich die vermeintliche Tatsache, dass 700'000 verheiratete Paare gegenüber unverheirateten steuerlich benachteiligt sind. Ich sage "vermeintlich". So klar ist das nicht. Als wir am 28. Februar 2016 über die CVP-Initiative "Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe" abstimmten, war von 80'000 Doppelverdienerehepaaren die Rede, die steuerlich benachteiligt seien. Für uns Urnengänger war das offenbar so etwas wie eine Quantité négligeable. Die Initiative wurde hauchdünn abgelehnt.

Eigentlich braucht es gar keine Volksinitiative, um die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren aus dem Weg zu schaffen. Man müsste nur die Verfassung umsetzen: 1984, also vor 35 Jahren, befand das Bundesgericht, dass Ehepaare nicht stärker belastet werden dürfen als Konkubinatspaare. Man muss wissen, dass sämtliche Kantone dies umgesetzt haben; nur bei der direkten Bundessteuer funktioniert es nicht.

Am Montag debattierte der Ständerat wieder einmal über dieses leidige Thema, wies aber den Vorschlag des Bundesrats zurück. Das Thema wird uns also weiterhin beschäftigen.

Doch die wirkliche Heiratsstrafe findet nicht bei der Besteuerung, sondern bei der AHV statt. Während Konkubinatspaare je eine monatliche Rente von maximal 2370 Franken erhalten, insgesamt 4740 Franken, so kommen Ehepaare höchstens auf 3555 Franken, 150 Prozent der maximalen Vollrente.

Auch diese Heiratsstrafe möchten viele abschaffen. So hat der Kanton Aargau eine Standesinitiative lanciert. Sie verlangt, die Diskriminierung von Ehepaaren gegenüber Konkubinatspaaren "sowohl in steuer- als auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht zu beseitigen." Mitte Mai hat der Nationalrat der Initiative Folge gegeben.

Wie soll das gehen? Theoretisch ganz einfach: Man begrenzt die AHV-Renten bei Konkubinatspaaren gegen oben, wie das bei Ehepaaren geschieht. Oder man hebt die Plafonierung der Renten bei Eheleuten ab.

Diese Entplafonierung der AHV-Renten hätte für die AHV jährliche Mehrausgaben von 2,7 Milliarden Franken zur Folge. Soll mir einer erklären, wie man das finanzieren will, wenn sich die Räte in Bundesbern schon heute als unfähig erweisen, sich auf mehrheitsfähige Massnahmen zur Sanierung der AHV zu einigen.

Also doch eher die Renten der Konkubinatspaare plafonieren? Das wiederum kommt einer Kürzung der Leistungen gleich und wird politisch auch keine Chance haben. Zum Schluss nochmals Schopenhauer: "Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt."