Die Zeit reiche nicht mehr, um eine vollkommen neue Scheidungsvereinbarung zwischen der EU und Grossbritannien auszuhandeln, sagte Macron am Donnerstag an der Seite seines Staatsgasts im Hof des Elysee-Palasts. "Ich möchte das sehr deutlich sagen: Im kommenden Monat werden wir kein neues Austrittsabkommen finden, das gross vom Original abweicht." Gleichzeitig streckte er aber auch symbolisch die Hand aus: Niemand werde bis zum vereinbarten Austrittstermin Ende Oktober warten, ohne zu versuchen, eine "gute Lösung" zu finden, sagte er zu Johnson.

Der Premier gab sich wie schon am Mittwoch in Berlin optimistisch. Sein Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel habe ihn "stark ermutigt". Johnson plädierte dafür, den Brexit "vernünftig und pragmatisch sowie im Interesse beider Seiten" zu regeln und damit nicht bis zum 31. Oktober zu warten. "Lassen Sie uns nun damit weitermachen, unsere Freundschaft und Partnerschaft zu vertiefen und zu intensivieren." An den Finanzmärkten kam Hoffnung auf, dass nun doch Bewegung in den festgefahrenen Brexit-Streit kommt. Das britische Pfund stieg im Wert.

Alles dreht sich um den Backstop

Johnson, der seit einem Monat im Amt ist, will den zwischen seiner Vorgängerin Theresa May und der EU ausgehandelten, vom britischen Parlament aber mehrfach abgelehnten Vertrag wieder aufschnüren und die Notfalllösung zur irischen Grenze kippen. Dieser sogenannte Backstop soll eine harte Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem zu Grossbritannien gehörenden Nordirland verhindern - und damit auch ein potenzielles Wiederaufflammen des Irland-Konflikts. Johnson fürchtet, dass sein Land durch den Backstop, sollte er denn eintreten, dauerhaft eng mit der EU verbunden bliebe und so keine unabhängige Handelspolitik betreiben könnte.

Die EU hat jedoch wiederholt unterstrichen, dass am Austrittsabkommen nicht gerüttelt werde. Gelingt keine Einigung, droht ein Brexit ohne Abkommen. Experten warnen für so einen Fall vor schweren wirtschaftlichen Verwerfungen beiderseits des Ärmelkanals.

Johnson: Keine Kontrollen an der Grenze zu Irland

Macron betonte, sowohl der Backstop als auch die Integrität des EU-Binnenmarkts seien Elemente, die man beibehalten müsse. Johnson versicherte, die britische Regierung werde "unter keinen Umständen" irgendeine Art von Kontrollen an der Grenze zu Irland einführen. Er glaube auch nicht, dass die EU dies tun müsse, um ihren Binnenmarkt zu schützen. "Wir denken, dass es andere Wege gibt, dies zu tun." Er glaube, dass die Zeit dafür ausreiche. Vieles sei schon erledigt worden, um einen sanften Übergang Ende Oktober zu gewährleisten. Mit Blick auf die Debatte über den Brexit-Vertrag merkte Johnson an, Merkel habe gesagt, dass man binnen 30 Tagen Überlegungen dazu entwickeln könne, was sich schaffen lasse. Diesen Geist bewundere er.

Merkel hatte am Mittwoch gesagt, dass der Backstop nur als "Rückfallposition" gedacht sei, falls man in dem zweijährigen Übergangszeitraum nach dem EU-Austritt zur Regelung des Grenzverkehrs an der irischen Grenze keine Einigung finde. "Man hat gesagt: Die finden wir wahrscheinlich in den nächsten zwei Jahren. Aber man kann sie vielleicht auch in den nächsten 30 Tagen finden. Warum nicht?" Am Donnerstag betonte sie bei einem Besuch in Den Haag, dass sie keine 30-Tages-Frist gesetzt habe. Es gehe darum, dass man eine Lösung über eine Frage, die man lange diskutiert habe, nun in einem kurzen Zeitraum finden müsse, wenn man denn einen ungeregelten Austritt Grossbritanniens vermeiden wolle. "Also: Nehmen Sie den Zeitraum bis zum 31. Oktober", sagte Merkel.

(Reuters)