EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte am Mittwoch in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union, entschieden gegen Korruption vorgehen zu wollen. "Es ist die Pflicht und die vornehmste Aufgabe meiner Kommission, die Rechtsstaatlichkeit zu schützen", sagte die deutsche Politikerin.
Die EU-Kommission kritisiert schon lange, dass Korruption in Ungarn weit verbreitet sei. In einem Bericht vom Juli ist die Rede von "einem Umfeld, in dem die Risiken von Klientelismus, Günstlings- und Vetternwirtschaft in der hochrangigen öffentlichen Verwaltung nicht angegangen werden". Weil die Behörde durch diese Verstösse die Gefahr sieht, dass EU-Gelder missbraucht werden, leitete sie schon im April in einem bislang einmaligen Schritt den Rechtsstaatsmechanismus gegen das mitteleuropäische Land ein.
Aus einem Dokument der EU-Kommission geht hervor, dass die Behörde den EU-Staaten vorschlagen könnte, bis zu 70 Prozent aus mehreren Programmen der Strukturfonds zur Förderung benachteiligter Regionen einzubehalten. Berechnungen des Grünen-Europaabgeordneten Daniel Freund zufolge könnten das rund sieben Milliarden Euro sein. Aus EU-Kreisen hiess es, die Zahlen könnten sich noch ändern. Kommenden Mittwoch läuft eine Frist für die EU-Kommission aus
Zudem werde die Behörde Sonntag Empfehlungen beschliessen, wie die Missstände in Ungarn behoben werden könnten. Sollte Ungarn alle Empfehlungen umsetzen, könnte es sein, dass gar nicht erst Geld eingefroren. Die ungarische Regierung hatte zuletzt erstmals seit langem etwas Bewegung im Kampf gegen Korruption erkennen lassen. Unter anderem will sie eine unabhängige Behörde einrichten, die die Verwendung von EU-Mitteln überwacht.
Die Entscheidung darüber, Milliarden für Ungarn aus dem EU-Haushalt einzufrieren, treffen die EU-Staaten. Sie haben nach der Empfehlung der EU-Kommission bis zu drei Monate Zeit für einen solchen Beschluss. Mindestens 15 Staaten mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung müssten zustimmen.
Neben der Gefahr, dass für Ungarn vorgesehene EU-Mittel eingefroren werden, wartet das Land ausserdem noch auf Geld aus dem milliardenschweren EU-Topf zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Die EU-Kommission und die ungarische Regierung konnten sich bislang nicht auf einen ungarischen Plan zur Verwendung des Geldes einigen. Es ist das einzige Land, deren Corona-Aufbauplan noch nicht steht./wim/DP/stk
(AWP)