Und wie sie die höchsten Ebenen der Bank erreichten. Händler Martin Shields berichtete von Cum-Ex-Geschäften, bei denen zwischen 2005 und 2008 die deutsche Praxis der Dividendenbesteuerung ausgenutzt wurde. Er gab an, die lukrativen Transaktionen seien bei der Bank gang und gäbe gewesen, regelmässig von Vorgesetzten genehmigt und ganz offen gehandhabt worden. Er sagte, einer der Top-Führungskräfte von UniCredit “gehörte in mindestens einem dieser Jahre” dem Gremium an, das darüber befand.

Die Sparte, um die es in der Einlassung von Shields ging, gehörte zum Geschäftsbereich Markets and Investment Banking von UniCredit und wurde seinerzeit von einem Mann geleitet, der heute einer der prominentesten Namen in der Bankenbranche ist: Sergio Ermotti, Chief Executive Officer der UBS Group.

Die deutschen Cum-Ex-Ermittlungen haben die Finanzwelt erschüttert. Dutzende von Banken sind betroffen und ein ausgedehntes Netzwerk von Bankern, Leerverkäufern und Mittelsmännern soll involviert gewesen sein. Jetzt stellt sich die Frage, was Ermotti und sein Team über die Praxis wussten, als er für die Sparte zuständig war, die UniCredit im Geschäftsbericht 2007 für ihre aussergewöhnliche Leistung lobte. Bevor er 2011 zu UBS wechselte, war Ermotti Leiter Markets and Investment Banking der UniCredit und schliesslich als stellvertretender CEO tätig.

Ermotti wollte die Angaben nicht kommentieren. Ihm wird bisher kein Fehlverhalten vorgeworfen. Shields, der vor Gericht die von ihm umschriebene Führungskraft nicht beim Namen nannte, gehört zu den Kronzeugen der Kölner Staatsanwaltschaft in der Hoffnung, so eine Haftstrafe zu vermeiden. Ein Sprecher von Shields lehnte es ab, zu erläutern, warum er in seiner Einlassung keinen Namen nannte. Shields beantwortete am Donnerstag weitere Fragen des Gerichts, das das Verfahren jetzt fortsetzte.

Grosse Namen

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen tauchen einige der grössten Namen der Finanzbranche auf, so der Ex-Co-CEO der Deutschen Bank, Anshu Jain, der ehemalige Chef der Investmentbank des Geldinstituts, Garth Ritchie, die Chefin der Macquarie Group Ltd., Shemara Wikramanayake und ihr Vorgänger Nicholas Moore sowie Banken von Barclays bis Banco Santander. Ritchie hatte bestritten, persönlich an Cum-Ex-Transaktionen beteiligt gewesen zu sein. Sprecher von Jain, Moore und Wikramanayake wollten sich auf Anfrage nicht äussern.

“Vor 2008 gab es viele Geschäftsbereiche, die viel Geld verdienten, und das Management war damit beschäftigt, sich auf den Rücken zu klopfen und sich selbst zu beglückwünschen, wie gut sie waren”, sagte Christopher Wheeler, ein erfahrener Bankanalyst, der schon bei Unternehmen wie Barclays und Mediobanca gearbeitet hat.

Shields und ein weiteres Teammitglied, Nicholas Diable, stehen wegen Steuerdelikten in Bonn vor Gericht. Laut Staatsanwaltschaft sollen die Geschäfte einen Schaden von 400 Millionen Euro verursacht haben. Durch das geschickte Ausnutzen der deutschen Dividendenbesteuerung wurden mittels Cum-Ex-Transaktionen Steuern mehrfach erstattet, so die Behörden. Deutschland hat 2012 seine Steuergesetze geändert, um dem ein Ende zu setzen. Es ist jedoch weiter umstritten, ob die Taktik seinerzeit illegal war.

Steuergeschäfte

Shields (41) und Diable (38) sind angeklagt, weil sie an Cum-Ex-Transaktionen mitwirkten. Beide arbeiten mit der Staatsanwaltschaft zusammen.

In seiner mehrtägigen Einlassung hat Shields dem Gericht geschildert, wie zahlreiche Akteure aus der Finanzbranche zusammenwirken mussten, um die Cum-Ex-Geschäfte umzusetzen. Die Dividendengeschäfte seien innerhalb der Bank weithin bekannt gewesen und von seinen Vorgesetzten abgesegnet worden. Shields sagte, er kenne die namentlich nicht genannte Führungskraft aus einer gemeinsamen Zeit bei Merrill Lynch & Co., in der der betreffende Manager zur Leitung des Bereichs Aktienmärkte gehörte.

Shields beschrieb, wie ein Teil der Geschäfte von einer Sparte der Muttergesellschaft in Mailand genehmigt werden musste, bei der der Top-Banker zu einem Gremium gehörte, das sie absegnete. Shields sagte, sein Chef Paul Mora habe bereits zuvor bei Merrill Lynch mit der Führungskraft bei Dividenden-Geschäften zusammengearbeitet.

Ermotti, 59, hatte in den Anfangsjahren seiner Karriere bei Merrill Lynch gearbeitet. Er kam 1987 zu der US-Bank, stieg im Aktiengeschäft des Unternehmens auf und wurde 2001 Co-Leiter der globalen Aktienmärkte. Er verliess die Gesellschaft im Jahr 2003. Seine Zeit bei Merrill Lynch überschnitt sich teilweise mit einem Manager, der später im Executive Management Committee der von Ermotti beaufsichtigten UniCredit-Sparte tätig war - Edoardo Spezzotti. Spezzotti hat auf über sein LinkedIn-Konto übermittelte Bitten um Stellungnahme nicht reagiert.

Ermotti wurde 2005 eingestellt

UniCredit gehört zu den Unternehmen, die von der deutschen Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften unter die Lupe genommen werden. Ermotti, heute einer der einflussreichsten Banker der Welt, wurde Ende 2005 von UniCredit eingestellt, kurz nachdem die Bank die deutsche HVB Group übernommen hatte.

Die ehemaligen Händler berichteten, dass sie 2004 zum Aktienfinanzierungsbereich der HVB kamen, einem Bereich, der in der Regel Geld damit verdient, Hedgefonds und andere Vermögensverwalters Kapital und Aktien zur Verfügung zu stellen. Sie waren häufig in Cum-Ex-Geschäften involviert, und ihr Team zählte infolgedessen zu den profitabelsten im Aktienbereich, sagte Shields vor Gericht.

“Es gab keine Black Box”, sagte Shields. „Es gab nur einen äusserst profitablen Bereich.”

Stellungnahmen abgelehnt

Die UniCredit hat die HVB im Jahr 2005 für mehr als 19 Milliarden Euro erworben.

Ermotti war bei UniCredit für einen Geschäftsbereich zuständig, der einen operativen Jahresertrag von mehr als 2,8 Milliarden Euro erwirtschaftete, wie aus dem Geschäftsbericht 2007 hervorgeht. Sein Chef war CEO Alessandro Profumo, der das Kreditinstitut mit einer Reihe von Akquisitionen aufgebaut hatte. Zu den wichtigsten Stellvertretern gehörte der Leiter Märkte Willi Hemetsberger, Chief Operating Officer Stefan Ermisch und die Investment-Banking-Co-Chefs Ronald Seilheimer und Spezzotti.

Zusammen bildeten sie das Executive Management Committee der Sparte. Profumo sagte auf Anfrage, er habe keine direkte Erinnerung an Ereignisse aus dem Jahr 2007. Die anderen Führungskräfte lehnten eine Stellungnahme ab oder antworteten nicht auf Telefonanrufe.

(Bloomberg)