Der Demokrat habe vor, die 74-Jährige für den Posten zu nominieren, sagten zwei seiner Parteifreunde am Montag. Auch das "Wall Street Journal" berichtete unter Berufung auf Insider über die Personalie. Ein Sprecher von Bidens Wahlkampfstab lehnte eine Stellungnahme ab, ebenso Yellen selbst, als sie telefonisch um einen Kommentar gebeten wurde. Biden-Beraterin Jen Psaki schrieb auf Twitter, dass Anfang kommende Woche "einige Mitglieder des Wirtschaftsteams bekanntgegeben werden".

Biden hat den Wiederaufbau der US-Wirtschaft nach dem Einbruch im Zuge der Corona-Krise zu einem Schwerpunkt seiner Präsidentschaft erklärt. Yellen hat sich dafür ausgesprochen, mit höheren Staatsausgaben der US-Wirtschaft aus der Rezession zu verhelfen. Gleichzeitig hat sie wiederholt die wachsende ökonomische Ungleichheit als Bedrohung für amerikanische Werte kritisiert. Bidens Amtsübernahme ist für den 20. Januar vorgesehen. Er stellt derzeit die Kandidatenliste für sein Kabinett zusammen. Erste Namen für Spitzenposten im Bereich der Aussen- und Sicherheitspolitik gab er zum Wochenauftakt bereits bekannt. Er setzt vor allem auf langjährige, erfahrene Weggefährten, die sich in ihren künftigen Aufgabenfeldern bereits einen Ruf als Experten erworben haben.

Auch Yellen geniesst hohes Ansehen in Politik, Wirtschaft und auf dem internationale Parkett. Als Finanzministerin wäre sie die erste Frau an der Spitze des Schlüsselressorts, sollte der Senat sie im kommenden Jahr bestätigen. 2014 hatte die frühere Professorin an der Elite-Universität Berkeley und Arbeitsmarktexpertin - ebenfalls als erste Frau - den Posten als Chefin der US-Notenbank übernommen, nachdem der damalige Präsident Barack Obama sie nominiert hatte. Bei dessen Nachfolger Donald Trump stiess sie jedoch auf wenig Gegenliebe. 2018 folgte ihr Jerome Powell nach, der auch jetzt noch Fed-Chef ist. Neben Yellen galten zuletzt auch Fed-Direktorin Lael Brainard, der Chef der Notenbank von Atlanta, Raphael Bostic, und die ehemalige Fed-Direktorin Sarah Bloom Raskin als Anwärter für den Chefposten im Finanzministerium.

Biden will Kerry als Klimabeauftragten

Biden hatte am Montag eine Reihe von Nominierungen für Top-Posten in seiner Regierung bekanntgegeben. Darunter fanden sich eine Reihe auch im Ausland bekannter Namen, allen voran der einstige Präsidentschaftskandidat John Kerry. Er soll Klimabeauftragter werden. Biden kennt Kerry nicht nur aus seiner Zeit im Senat. Die beiden arbeiteten auch eng unter Obama zusammen, dessen Vizepräsident Biden war. Kerry, der die Präsidentenwahl 2004 gegen den Republikaner George W. Bush verloren hatte, wiederum war vier Jahre lang Obamas Aussenminister.

Künftiger Aussenminister unter Biden soll dessen langjähriger Vertrauter und Weggefährte Antony Blinken werden, wie der Mitarbeiterstab des designierten Präsidenten mitteilte. Als Nationaler Sicherheitsberater ist demnach Jake Sullivan vorgesehen, ebenfalls ein langjähriger Gefährte Bidens und ein Aussenpolitik-Fachmann. Zur Botschafterin bei den Vereinten Nationen will Biden Linda Thomas-Greenfield ernennen. Alejandro Mayorkas soll das Heimatschutzministerium leiten.

Auch mit Blinken, Sullivan, Thomas-Greenfield und Mayorkas arbeitete Biden während seiner Zeit als Vizepräsident zusammen. Blinken etwa diente unter Obama als Vize-Aussenminister und als stellvertretender Berater für die nationale Sicherheit. Im Wahlkampf war der 58-Jährige einer der wichtigsten Berater Bidens. Sullivan arbeitete für Obama als aussen- und sicherheitspolitischer Berater. Thomas-Greenfield war eine der Spitzendiplomatinnen in der Obama-Regierung. Mayorkas, ein Anwalt mit kubanischen Wurzeln, war wiederum unter Obama bereits stellvertretender Heimatschutzminister.

Biden plant eine Abkehr vom "America-First"-Kurs, mit dem der scheidende Amtsinhaber Donald Trump viele Verbündete vor den Kopf gestossen hat. Stattdessen sollen die internationalen Beziehungen wieder gestärkt werden - auch um die Corona-Krise und deren globale wirtschaftliche Folgen zu bewältigen. Biden will zahlreiche Entscheidungen Trumps rückgängig machen. So sollen die USA dem Atomabkommen mit dem Iran und dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten und die Pläne zum Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgeben.

(Reuters)