Am Dienstag hatte Pjöngjang eine ballistische Mittelstreckenrakete in Richtung des Japanischen Meeres abgefeuert. Mit einer Flugdistanz von rund 4500 Kilometern hat nie zuvor eine nordkoreanische Rakete eine längere Reichweite zurückgelegt. Es war das erste Mal seit knapp fünf Jahren, dass eine nordkoreanische Rakete über die japanische Inselgruppe geflogen war. Dort löste der Test einen seltenen Raketenalarm aus: Die Bewohner der nordjapanischen Insel Hokaido und der Präfektur Aomori an der Nordspitze der japanischen Hauptinsel Honshu wurden aufgefordert, Schutz in ihren Häusern zu suchen.

Ebenfalls am Mittwochmorgen stürzte eine weitere Rakete der südkoreanischen Armee nach einem Fehlstart zu Boden. Wie die Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf den südkoreanischen Generalstab berichtete, wurde bei dem Unfall nahe der Ostküstenstadt Gangneung niemand verletzt. Die Absturzursache war zunächst nicht bekannt. Bei einigen Bewohnern von Gangneung war Panik ausgebrochen, da sie zunächst einen Angriff durch Nordkorea befürchteten.

Sowohl die USA als auch die Nato hatten den nordkoreanischen Test vom Dienstag verurteilt. US-Präsident Joe Biden sprach von einer "Gefahr für das japanische Volk". Die USA wollen zudem eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats für Mittwoch beantragen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb auf Twitter: "Ich verurteile die gefährlichen und destabilisierenden Raketentests Nordkoreas aufs Schärfste."

Als direkte Reaktion hatten Südkoreas Streitkräfte zwei Präzisionsbomben auf eine unbewohnte Insel im Gelben Meer abgefeuert. Zudem habe man gemeinsam mit US-amerikanischen Kampfflugzeugen des Typs F-16 Flugmanöver abgehalten. Das Gelbe Meer wird von China und der koreanischen Halbinsel umrandet.

Das letzte Mal, als Nordkorea 2017 eine Rakete über Japan fliegen liess, führte das Land nur wenige Tage später einen Atomwaffentest durch. Experten befürchten, dass Nordkorea in den kommenden Wochen erneut eine Atomrakete testen könnte. Laut Angaben des südkoreanischen Verteidigungsministeriums bereitet das nordkoreanische Militär zudem weitere Tests für eine Interkontinentalrakete sowie eine ballistische U-Boot-Rakete vor.

UN-Resolutionen untersagen Nordkorea die Erprobung von ballistischen Raketen jeglicher Reichweite, die je nach Bauart auch einen Atomsprengkopf befördern können. Zuletzt hatte Nordkorea am Samstag zwei ballistische Kurzstreckenraketen getestet - das war der vierte Raketenabschuss innerhalb einer Woche.

Die gehäuften Raketentests Nordkoreas werden von Experten auch als Reaktion auf die kürzlich abgehaltenen Seemanöver südkoreanischer und US-amerikanischer Streitkräfte gewertet. An den viertägigen Marineübungen hatte auch der Flugzeugträger "USS Ronald Reagan" teilgenommen. Es war die erste Entsendung eines US-Flugzeugträgers nach Südkorea seit fast vier Jahren./fk/DP/stk

(AWP)