Eigentlich müsste die norwegische Krone auf Höhenflug sein: Die Notenbank hebt als eine der wenigen weltweit die Leitzinsen an, die Konjunktur brummt und der Preis des wichtigsten Exportguts Rohöl zieht wieder an. Aber die Währung mit einem Kursminus von sechs Prozent zum Dollar gehört seit Jahresbeginn zu den Schlusslichtern unter den Industrienationen. Zum Euro fiel die Krone am Dienstag sogar auf ein Rekordtief.

Erica Dalsto, Chef Anlagestrategin für Norwegen bei der SEB Bank, sieht den Hauptgrund für die Kronen-Schwäche im Zollstreit zwischen den USA und verschiedenen anderen Staaten wie China. "Alle Währungen kleinerer, vom Welthandel abhängiger Staaten leiden. Heimische Faktoren spielen die zweite Geige." Der Hickhack um den Brexit sowie die Spannungen im Nahen Osten und den Golf-Staaten sorgten zusätzlich für Verunsicherung. Dalsto verwies auf das Nachbarland Schweden, dessen Währung unter denselben Problemen leide. Nach Einschätzung des SEB-Anlagestrategen Richard Falkenhall ziehen sich vor allem Großinvestoren aus der Krone zurück. Sie fürchteten, ihre Anlagen im Falle einer Börsenkrise nicht schnell genug zu Geld machen zu können.

Die norwegische Zentralbank sieht im Zollstreit ebenfalls den Hauptbelastungsfaktor für ihre Währung. Sie weist darauf hin, dass sich der Abwertungsdruck ab August verstärkt habe, als sich die Spannungen zwischen den USA und China verschärften.

Börse läuft rund

Sein Kollege Jonathan Davies von der Vermögensverwaltung der Bank UBS zweifelt dagegen an dieser Erklärung und bezeichnet die Abwertung als "mysteriös". "Es ist nicht das erste Mal, dass die skandinavischen Währungen auf ein Niveau gefallen sind, auf denen sie als unterbewertet gelten." So seien Begründungen für die Kronen-Schwäche im Nachklang der Finanzkrise von 2008 "nicht völlig überzeugend".

Niels Christensen, Chef-Analyst der Nordea Bank, teilt diese Einschätzung. "Denn die Konjunktur läuft nicht so schlecht, wie es die Währung signalisiert." Rätselhaft sei zudem, dass die norwegische Krone auch im Vergleich zu ihrem schwedischen Pendant seit Jahresbeginn etwa 2,5 Prozent abgewertet habe. "Wenn überhaupt, finden sich schwache Konjunkturdaten in Schweden, nicht Norwegen", fügt Christensen hinzu.

Stephen Gallo, Anlagestratege der Investmentbank BMO, zeigt auf das Handelsdefizit, die rückläufige Industrieproduktion und den "astronomischen" Anstieg der Verschuldung der Privathaushalte. "Diese Faktoren reichen aus, damit Investoren sich zwei Mal überlegen, Geld in norwegische Werte zu stecken."

Aktienanleger scheinen sich bislang allerdings nicht abschrecken zu lassen. Der Osloer Börse zufolge liegen 38,9 Prozent aller norwegischen Aktien in Depots ausländischer Anleger. Dies sei der höchste Stand seit 2007. Der Leitindex legte seit Jahresbeginn rund zwölf Prozent zu.

(Reuters)