Die Bewerbungsfrist für die Leitung des Aufsichtsbereichs der Europäischen Zentralbank endete am Freitag - und die EZB würde es bevorzugen, eine Frau auszuwählen, wie drei mit der Angelegenheit vertraute Euroraum-Vertreter berichteten. Sie baten um Anonymität, da das Verfahren vertraulich sei, bis eine Auswahlliste der Kandidaten veröffentlicht wird. Eine EZB-Sprecherin lehnte eine Stellungnahme ab.

Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) ist aussergewöhnlich unter den europäischen Institutionen, weil er bereits von zwei Frauen geleitet wird. Er ist auch ungewöhnlich, weil der EZB-Rat die Leitung, derzeit die Französin Danièle Nouy, nominiert, während die meisten EU-Positionen von nationalen Regierungen ernannt werden.

Das bedeutet, dass die EZB, die ihr Geschlechter-Ungleichgewicht angehen möchte, eher in Richtung weibliche Kandidaten tendieren wird, die die Qualifikationen für den Job erfüllen. Nouys Amtszeit endet am 31. Dezember und als potenzielle Nachfolger werden unter anderem Sharon Donnery aus Irland und Elisa Ferreira aus Portugal gehandelt.

Dominanz von Männern als Kritikpunkt

Das Europäische Parlament, das über die Nominierung abstimmen wird, hat seit langem die Dominanz von Männern in der Zentralbank kritisiert. In dem 25 Mitglieder umfassenden Rat sitzen lediglich zwei Frauen. Erst in diesem Jahr ging die Vizepräsidentschaft der EZB an den Spanier Luis de Guindos und sowohl Spanien als auch Finnland ernannten männliche Zentralbankchefs. Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré hat die Staats- und Regierungschefs aufgefordert, bei der Ernennung von Frauen "entschlossener zu handeln".

Darüber hinaus endet die Amtszeit der stellvertretenden SSM-Vorsitzenden Sabine Lautenschläger im Februar, und ihr Nachfolger muss aus den Reihen ihrer EZB-Direktoriumsmitglieder - die alle Männer sind - ausgewählt werden. Obwohl sie die Kompetenzen hat, um auf Nouys Posten vorzurücken, kann sie nicht gewählt werden, es sei denn, sie scheidet aus dem EZB-Rat aus.

"Angesichts der Betonung, die die EZB in den letzten Jahren auf die Verbesserung der Geschlechterdiversität gelegt hat, glaube ich - und hoffe stark -, dass dies eine wichtige Variable in der Entscheidung sein wird", sagte Mascia Bedendo, Professorin für Finanzen bei Audencia Business Schule in Nantes, Frankreich.

Nach Gesprächen mit etwa einem Dutzend derzeitiger und ehemaliger Vertreter des Euro-Währungsgebiets haben sich folgende potenzielle Kandidaten für die Aufsicht über eines der weltgrössten Bankensysteme herauskristallisiert.

Sharon Donnery

Die erste weibliche stellvertretende Gouverneurin der irischen Zentralbank wird von Vertretern in mindestens zwei Ländern als Favoritin angesehen. Donnery leitet die Taskforce der EZB für notleidende Kredite, ein zentrales Problem für Banken im Euroraum, und Nouy hat ihren "sehr starken" Aufsichtshintergrund gelobt.

"Sie hat das nötige Rüstzeug", sagte Jonathan McMahon, ein ehemaliger Direktor der irischen Zentralbank. "Sie ist belastbar, robust und gut vorbereitet."

Einige EZB-Kollegen waren enttäuscht, dass Donnery bei notleidenden Krediten nicht härter vorgegangen ist, und sie war überrascht von dem politischen Widerhall, sagten die mit der Angelegenheit vertrauten Personen. In ihrem Heimatland haben die Banken ein Jahrzehnt nach der Finanzkrise noch immer mit notleidenden Krediten zu kämpfen, diese machen etwa 14 Prozent ihrer Darlehensbestände aus. Etwa 7 Prozent der Eigenheimhypotheken sind mehr als 90 Tage im Rückstand.

Eine Komplikation ist, dass ihr Chef, Gouverneur Philip Lane, Interesse haben könnte, ins EZB-Direktorium zu kommen, wenn Chefökonom Peter Praet im Mai zurücktritt. Es ist unwahrscheinlich, dass ein kleines Land wie Irland zwei wichtige EZB-Posten bekommt.

Mit den Überlegungen der Regierung vertraute Personen haben Zweifel an einem Bericht, dass das Finanzministerium die Kandidatur von Donnery stark unterstütze. Sie verweisen darauf, dass es bei dieser Nominierung weniger zu sagen habe als bei einer Benennung für das EZB-Direktorium.

Elisa Ferreira

Ferreira kam 2016 in den Vorstand der portugiesischen Zentralbank und wurde letztes Jahr Vize-Gouverneurin. Sie sass auch mehr als ein Jahrzehnt als sozialistische Abgeordnete im Europäischen Parlament, wo sie im Wirtschafts- und Währungsausschuss war und Verhandlungsführerin des Parlaments für die Institution, die für den Umgang mit gescheiterten Banken eingesetzt wurde. Das brachte ihr eine gründliche Kenntnis der europäischen Regeln ein, die dafür sorgen sollen, dass die Steuerzahler nicht für die Verluste von Kreditinstituten aufkommen müssen.

Ferreira könnte eine akzeptable Kandidatin für die südeuropäischen Länder sein, die besorgt sind, dass die EZB ihre Banken gefährden könnte, indem sie zu schnell auf die Bereinigung fauler Kredite drängt. Das könnte sie jedoch für die Falken schwer akzeptabel machen, und obwohl sie bereits im Aufsichtsgremium der EZB ist, hat sie nicht so viel Erfahrung wie andere potenzielle Kandidaten. Ein weiterer Punkt gegen sie ist, dass Portugal einen starken Posten in der EU innehat, denn Mario Centeno leitet die Gruppe der Finanzminister der Eurozone.

Drei italienische Männer

Die stärksten potenziellen Kandidaten aus der drittgrössten Volkswirtschaft des Euroraums - und dem grösste Halter von notleidenden Krediten - sind alle Männer.

Andrea Enria führt seit 2011 die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA an, die technische Standards für die Regulierung von Kreditinstituten entwickelt. Seine Verbindungen zum Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, der Regulierungsbehörden aus aller Welt zusammenbringt, geben ihm ein nützliches internationales Netzwerk.

Ignazio Angeloni ist seit ihrer Gründung vor zwei Jahrzehnten bei der EZB und scherzt, dass die Italiener ihn nicht mehr als Landsmann sehen. Seine Kollegen betrachten ihn als Vertreter von EZB-Präsident Mario Draghi. In einer Rede im Mai skizzierte er seine "strategischen Richtungen" für die Bankenaufsicht und in einem Interview, das am Tag vor dem Bewerbungsschluss für den SSM-Posten veröffentlicht wurde, äusserte er sich besorgt über die Auswirkungen der jüngsten Volatilität der italienischen Anleihemärkte auf die Banken.

Italiens Vertreter im SSM-Gremium, Fabio Panetta, hat lautstark kritisiert, wie die EZB die Banken des Landes behandelte. Das italienische Finanzministerium favorisiert nach Ansicht einer mit der Angelegenheit vertrauten Person einen anderen Kandidaten.

Die Anderen

Andere Namen, die erwähnt wurden, sind der Finne Pentti Hakkarainen, der einer der EZB-Ernennungen für das SSM-Gremium ist, und Jan Sijbrand, der in diesem Jahr aus dem Vorstand der niederländischen Zentralbank ausschied. Wiederum sind beide Männer.

Ein Ergebnis, das die EZB wohl vermeiden will, ist, eine von Frauen dominierte Liste zu veröffentlichen, aber dann einen Mann auszuwählen. Die britische Regierung wurde kritisiert, dieses Jahr genau das getan zu haben, als sie einen neuen Entscheidungsträger der Bank of England benannte.

"Dieser Job ist so wichtig, dass Sie wirklich wollen, dass der beste Kandidat ihn bekommt und das könnte definitiv eine Frau sein", sagte Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwesen an der Universität Hohenheim in Stuttgart. "Aber es gibt vielleicht immer noch wenige Frauen mit derartigen Qualifikationen im Finanzwesen."

(Bloomberg)