Längere Zeit ist es ruhig geworden um den polarisierenden Genfer Soziologen und ex-SP-Nationalrat Jean Ziegler. Doch die Steueraffäre um den FC-Bayern-Manager Uli Hoeness liess den 79-Jährigen zu kritischen Worttiraden hinreissen wie zu seinen besten Zeiten. Vor einer Woche war bekannt geworden, dass gegen Hoeness wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung ermittelt wird. Der ehemalige Wurstfabrikant hatte das Geld mutmasslich bei der Bank Vontobel deponiert. 

"Ich bin nicht von dieser Affäre überrascht. Wir sind ein kleines Land ohne Rohstoffe. Die Schweiz ist die Hehlerzentrale der Welt, und unsere Banken plündern den deutschen Fiskus seit Jahrzehnten aus", sagt Ziegler in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin "Spiegel".  Das Geld werde in der Schweiz aus drei illegalen Quellen angelegt: Nebst der Steuerhinterziehung das Geld von Potentaten sowie dem organisierten Verbrechen, so Ziegler weiter.

«Schweiz reagiert nur auf Druck»

Der Fall Hoeness ist für Ziegler ein weiteres Indiz, dass die Schweizer Politik nur auf Druck reagiert. Der Vorfall spielt jenen Politikern in die Hände, die den automatischen Informationsaustausch befürworten. Zusätzlichen Druck auf das abbröckelnde Schweizer Bankgeheimnis könnte auch der kürzliche Entscheid von Luxemburg ausüben. Der Kleinstaat beschloss, ab 2015 den automatischen Informationsaustausch für Zinserträge von Privatpersonen einzuführen.

"Die politische Führungsschicht der Schweiz sitzt auf dem Gotthard und erteilt der Welt Lektionen in Demokratie. Das ist eine unglaubliche Selbstzufriedenheit und Arroganz", so Ziegler gegenüber dem "Spiegel". Die Schweiz agiere nicht, sie reagiere bloss. Das sei schon im Streit um jüdische Vermögen so gewesen. "Entschädigungen wurden erst gezahlt, nachdem die USA den Banken mit Boykott drohten", sagt Ziegler. 

Der Genfer bezeichnet die Finanzbranche auch als mitverantwortlich dafür, dass in einigen Teilen der Erde Hungersnot herrscht. "Nachdem Grossbanken die Finanzkrise ausgelöst haben, zocken sie jetzt verstärkt mit Lebensmitteln. Gleichzeitig ist eine Milliarde Menschen permanent schwerst unterernährt", wird Ziegler zitiert. Vergangenes Jahr gab er das Buch "Wir lassen Sie verhungern" heraus, das er als Manifest für das Menschenrecht auf Nahrung bezeichnet.