Nur vier Tage nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen beraten die Währungshüter am kommenden Donnerstag über ihren weiterhin extrem lockeren geldpolitischen Kurs. Wegen der Bedeutung des Urnengangs für die Euro-Zone erwartet die Mehrheit der Ökonomen, dass die EZB besonders vorsichtig agieren wird und dieses Mal keine weitreichenden Entscheidungen wagt. Manche Experten halten es aber für möglich, dass EZB-Präsident Mario Draghi bei der Konjunktureinschätzung dank zuletzt guter Wirtschaftsdaten optimistischere Töne anschlägt. An den Leitzinsen, die auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent liegen, oder den billionenschweren Anleihenkäufen wird die EZB aber wohl nicht rütteln.

Die Finanzmärkte waren wegen der Frankreich-Wahl zuletzt sehr nervös. "Die EZB wird daher wahrscheinlich darauf abzielen, eine ruhige Hand zu zeigen und kein unnötiges Risiko eingehen", schätzen die Volkswirte der Schweizer Großbank UBS. In Umfragen lagen zuletzt die vier führenden Kandidaten lediglich drei bis vier Prozentpunkte auseinander. Besonders gefürchtet wird an den Märkten, dass es am 7. Mai zu einer Stichwahl zwischen der rechtsextremen Euro-Gegnerin Marine Le Pen und dem Linkspolitker Jean-Luc Melenchon kommen könnte. "In diesem Falle würde der europäischen Währungsunion ein Härtetest bevorstehen, deren Konsequenzen sich kaum exakt greifen lassen", schätzt die DZ-Bank-Expertin Birgit Figge.

Angesichts günstiger Konjunkturdaten für die Euro-Zone waren zuletzt vor allem aus Deutschland die Rufe nach einer Abkehr von der extrem laxen Geldpolitik wieder lauter geworden. Erst am Donnerstag hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Washington eine Kurswende der Zentralbanken in Europa und andernorts gefordert. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hält die Diskussion für legitim, wann der EZB-Rat die Normalisierung in den Blick nehmen sollte.

Konjunkturausblick

Die unkonventionellen Maßnahmen der EZB sind eine Reaktion auf die Finanz- und Staatsschuldenkrise. So sollen die Mini-Zinsen für günstige Finanzierungsbedingungen sorgen. Auch die Anleihenkäufe sollen die Konjunktur und die Inflation anheizen. Inzwischen greift die Erholung in der Euro-Zone immer mehr um sich. So kletterte beispielsweise der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - im April auf den höchsten Wert seit Frühjahr 2011. Auch die Kauflaune der Verbraucher verbesserte sich zuletzt stärker als erwartet.

Daher steht am Donnerstag insbesondere der Konjunkturausblick der Notenbank im Fokus. "Eine Änderung, die bereits jetzt möglich ist, betrifft die Wachstumsrisiken", erklärt Volkswirt Greg Fuzesi von der Großbank JP Morgan. Aktuell geht die Notenbank in ihrem Ausblick davon aus, dass die konjunkturellen Risiken zwar weniger ausgeprägt sind als noch zuletzt - die Gefahren würden aber nach wie vor überwiegen. "Es ist möglich, dass die Wachstumsrisiken nun als 'ausgeglichen' eingeschätzt werden oder zumindestens, dass nun gesagt wird, dass diese sich 'noch weiter verringert' haben", so der Experte. Dies wäre ein vorsichtiges Signal, dass die Notenbank langsam ihre Richtung ändert.

(Reuters)