Den Entwurf zur Änderung des Stromversorgungsgesetzes hat der Bundesrat am Freitag in die Vernehmlassung geschickt. Mit den neuen und erweiterten Vorgaben für systemrelevante Stromunternehmen sollen die volkswirtschaftlichen Risiken eingegrenzt werden, die von diesen Unternehmen ausgehen, wie er mitteilte.
Die Vorlage soll das bis Ende 2026 befristete Bundesgesetz über subsidiäre Finanzhilfen zur Rettung systemkritischer Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft ablösen, den sogenannten Rettungsschirm. In einem ersten Schritt hatte der Bundesrat bereits das Bundesgesetz über die Aufsicht und Transparenz in den Energiegrosshandelsmärkten vorgelegt.
Es soll mehr Transparenz im Energiehandel schaffen, die Aufsicht verbessern sowie die Systemstabilität und Versorgungssicherheit stärken. Das Parlament wird als nächstes darüber entscheiden.
Kantone stehen in der Pflicht
Mit der nun präsentierten zweiten Vorlage will der Bundesrat die Liquiditäts- und Überschuldungsrisiken von grossen Stromversorgungsunternehmen minimieren. Betroffen von den vom Parlament initiierten Massnahmen wären derzeit acht Unternehmen - neben den drei Marktführern Axpo, Alpiq und BKW auch Primeo Energie AG, Azienda Elettrica Ticinese (AET), Groupe E, Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) und die Industriellen Werke Basel (IWB).
In erster Linie sollen die Unternehmen beziehungsweise deren Eigentümer - also die Kantone und Gemeinden - in der Pflicht stehen. Sie müssen gemäss Vernehmlassungsvorlage dafür sorgen, dass die Firmen jederzeit über so viel Liquidität verfügen und so stabil aufgestellt sind, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen auch in Stresssituationen nachkommen können und es zu keiner Überschuldung kommt.
Die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom) überprüft demnach künftig die Liquiditätsmodelle und Eigenmittelangaben und kann Nachbesserungen verlangen. Wenn die Unternehmen diese Anforderungen unzureichend erfüllen, soll der Bundesrat eingreifen und Mindestanforderungen an die Liquidität und das Eigenkapital festlegen können.
Weitere Regeln geplant
Die systemrelevanten Stromunternehmen müssen gemäss der Vernehmlassungsvorlage zudem über ein angemessen ausgestattetes Risikomanagement verfügen. Zudem sollen die Mitglieder der Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle nicht der Geschäftsführung angehören.
Die betroffenen Unternehmen können sich vom Anwendungsbereich der neuen gesetzlichen Regelung ausnehmen, wenn kantonale oder kommunale Massnahmen bestehen, die der Bundesregelung gleichwertig sind, wie der Bundesrat weiter schrieb. Die Vernehmlassung dauert bis zum 14. Juni 2024.
Weitere geplante Vorgaben auf Gesetzesstufe sollen gewährleisten, dass systemrelevante Kraftwerksanlagen auch in Konkursfällen oder bei einem Nachlassverfahren ohne Unterbruch weiterbetrieben werden können. Die Arbeiten dazu sind laut dem Bundesrat noch nicht abgeschlossen und sind daher nicht im vorliegenden Gesetzesentwurf enthalten.
Unsichere Lage in Energiemärkten
Auf den europäischen Energiemärkten war es in den vergangenen Jahren zu starken Preisaufschlägen gekommen, die sich durch Krieg in der Ukraine verschärften. Das erhöhte den Liquiditätsbedarf der Stromunternehmen.
Dass die Marktteilnehmer der Aufsichtsbehörde des Bundes künftig zahlreiche Angaben machen müssen, dürfte nicht überall gut ankommen. Schon die frühere Energieministerin Simonetta Sommaruga hatte dazu gesagt, dass sie Widerstand erwarte. «Keine Branche jubelt, wenn sie mehr Transparenz schaffen muss.» Dem Bundesrat gehe es aber um die Stärkung der Versorgungssicherheit.
Ziel der beiden Vorlagen sei es, dass der Bund in Zukunft nicht mehr finanziell einspringen müsse. Derzeit können systemkritische Schweizer Stromunternehmen Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen beziehen. Seit der Rettungsschirm in Kraft ist, hat aber noch kein Unternehmen davon Gebrauch gemacht.
(AWP)