ABB sei nicht Alstom, hiess es am Dienstagnachmittag in Analystenkreisen, als die Aktie des in Zürich beheimateten Industriekonzerns für eine einschneidende Gewinnwarnung der Franzosen in Sippenhaft genommen wurde.

Keine 24 Stunden später haben die Aktionäre allerdings traurige Gewissheit, dass gewisse Parallelen zwischen den beiden in Rivalität stehenden Unternehmen doch nicht von der Hand zu weisen sind. Denn auch ABB sieht sich aufgrund von Problemen im Bereich Energietechniksysteme (Power Systems) zu einer Gewinnwarnung gezwungen.

Viele Analysten erwischt diese Gewinnwarnung «contre pied». Fakt ist, dass die Gewinnerwartungen für das Schlussquartal des Geschäftsjahres 2013 um nahezu 40 Prozent zusammengestrichen werden müssen.

Bisher treffen keine Rückstufungen für die Aktie ein

Das Nachsehen hat insbesondere ein Analyst von Morgan Stanley. Erst am letzten Donnerstag stufte er die Aktie von ABB mit einem Kursziel von 26 (22) Franken von «Equal-weight» auf «Overweight» hoch. Seine Kaufempfehlung begründete der Analyst ausgerechnet mit dem signifikanten Ertragsverbesserungspotenzial, auch im Bereich Energietechniksysteme. Noch liegt aus dem Hause Morgan Stanley kein Kommentar zur Gewinnwarnung vor.

Bei der Deutschen Bank heisst es, dass die angekündigten Rückstellungen im Bereich Energietechniksysteme vergleichsweise hoch ausgefallen seien. Immerhin werde der gruppenweite EBITDA mit rund 16 Prozent belastet. Allerdings hätten sich die übrigen Geschäftsbereiche im Rahmen der Erwartungen entwickelt, so heisse es zumindest seitens des Unternehmens. Und obschon die Rückstellungen vor allem mit den widrigen Witterungsverhältnissen in Zusammenhang stünden, seien auch für das laufende Jahr Gewinnschätzungsreduktionen wahrscheinlich. Bei der Deutschen Bank wird die Aktie von ABB mit «Hold» und einem Kursziel von 22 Franken eingestuft.

Der für die Bank Vontobel tätige Analyst schreibt, dass er seine letztjährigen Gewinnschätzungen nach unten anpassen werde. Auch seine Prognosen für den sogenannten Free Cash Flow werde er um rund 25 Prozent zusammenstreichen müssen. An der Investmentthese ändere die Gewinnwarnung allerdings nichts, stütze er sich mit seiner Kaufempfehlung doch auf die Geschäftsaktivitäten ausserhalb des Bereichs Energietechniksysteme ab. Ausserdem hätten die Probleme einen einmaligen Charakter. Der Analyst empfiehlt die Aktie deshalb weiterhin mit einem Kursziel von 27,50 Franken zum Kauf.

Sein Berufskollege von Helvea zeigt sich sichtlich überrascht von der Gewinnwarnung. Dass der Bereich Energietechnisysteme einmal mehr neu aufgestellt werden müsse, sei als Rückschlag zu beurteilen. Denn erst Ende 2012 habe ABB in diesem Geschäftszweig eine neue Strategie implementiert. Allerdings nehme der Druck auf die Firmenverantwortlichen zu, sich dem Problembereich anzunehmen. Bei Helvea wird die Aktie mit «Buy» und einem Kursziel von 25 Franken eingestuft.

Bei der ZKB heisst es, die Sonderaufwendungen hätten einen spezifischen Sachverhalt. Deshalb gehe man davon aus, dass ABB keinem strukturellen Problem gegenüber stehe. Mit der Neuausrichtung des Bereichs Energietechniksysteme sollten solche Situationen, die potenziell Sonderaufwendungen hervorrufen können, besser in den Griff bekommen werden. Es sollte in der Folge wieder möglich sein, in der Division zufriedensetellende operative Margen zu erzielen. Die ZKB rechnet weiterhin mit einer überdurchschnittlichen Kursentwicklung der Aktie von ABB.

Die Analysten der Credit Suisse raten der Anlagekundschaft bei ABB sogar zu einem Einstieg in den aktuellen Kursrückschlag. Obschon die Gewinnwarnung enttäuschend sei, ändere sie die Investmentthese in keinster Weise. Offiziell wird die Aktie bei der Grossbank mit einem Kursziel von 26 Franken zum Kauf empfohlen.