Eigentlich müsste der starke Franken ausländische Käufer vor Übernahmen in der Schweiz abschrecken, macht er diese doch sehr teuer. Die immer öfter aus dem Ausland eingehenden Angebote zeigen allerdings: Die hiesigen Unternehmen dürfen sich nicht in falscher Sicherheit wähnen.

Jüngstes Beispiel ist der in Allschwil beheimatete Biotechnologiekonzern Actelion. Gemäss Spekulationen in der britischen "Sunday Times", ist beim Unternehmen eine nicht-bindende Übernahmeofferte im Gegenwert von rund 160 Franken je Aktie eingegangen. Absender ist der Rivale Shire.

Von den Spekulationen angetrieben, haussiert die Aktie von Actelion an der Schweizer Börse SIX zur Stunde um 9,1 Prozent auf 143,90 Franken und damit auf den höchsten Stand in der Firmengeschichte. Beobachter berichten von kurzfristig motivierten Käufen aus dem Lager ausländischer Hedgefonds.

Spekulationen werden für möglich gehalten

Die britische Presse ist bekannt dafür, nahezu jedes Gerücht aufzugreifen und zu kolportieren. Nur allzuoft gelangen dadurch auch Falschmeldungen in die Öffentlichkeit.

In einem Kommentar bezeichnet der für J.P. Morgan tätige Verfasser die vorliegenden Übernahmespekulationen dennoch für glaubwürdig. Shire habe in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, auch grösseren Zusammenschlüssen gegenüber offen zu sein. Ausserdem setze wie Actelion auch der britische Pharmahersteller auf Medikamente zur Behandlung seltener Krankheiten.

Nachdem Opsumit als Nachfolgepräparat für den Hauptumsatzträger Tracleer bei Actelion nun zugelassen und jene für das Präparat Selexipag zumindest in den USA auf Zielkurs sei, seien die Risiken für einen potenziellen Käufer bei Actelion sehr überblickbar.

Shire kaum mit Raum für Angebotsnachbesserung

Allerdings gibt der Analyst zu bedenken, dass das Allschwiler Biotechnologieunternehmen in der Vergangenheit sowohl industrielle Käufer als auch Finanzinvestoren erfolgreich eine Absage erteilt habe. Die Firmenverantwortlichen zum Einlenken zu bringen sei deshalb eine der Hauptherausforderungen, so schreibt er weiter.

Raum für eine Erhöhung der angeblichen Offerte sieht man bei J.P. Morgan nicht. Selbst bei 160 Franken je Aktie lasse sich für Shire kurzfristig kaum eine Gewinnverdichtung erzielen. Selbst unter den bestmöglichen Annahmen errechnen die Amerikaner bis in fünf Jahren eine Gewinnverdichtung von höchstens 23 Prozent. Dazu müsse sich der Tracleer-Nachfolger Opsumit aber deutlich besser als bislang erwartet entwickeln und die Kostenseite um 25 Prozent zusammenstreichen lassen.

Ähnlich äussert sich auch der Analyst der Deutschen Bank. Die Transaktionsgrösse lasse eine Mischung aus Barmitteln und eigenen Aktien vermuten. Um die Firmenverantwortlichen von Actelion überzeugen zu können, bedürfe es allerdings einer Übernahmeprämie von 30 Prozent oder mehr, so vermutet er. Allerdings rechne sich ein höheres Angebot für Shire dann kaum noch. Von einer Offertnachbesserung geht man bei der Deutschen Bank daher nicht aus.

Geben sich weitere Interessenten zu erkennen?

Auch J. Safra Sarasin hegt berechtigte Zweifel am Erfolg des gerüchtehalber genannten Angebots. Der Actelion-Chef und Gründer Jean-Paul Clozel habe in den letzten Jahren immer wieder klar gemacht, dass ein Verkauf für ihn nicht in Frage komme. Clozel habe langfristige Ambitionen mit seinem Unternehmen, so der Analyst. Aufgrund der mittlerweile stolzen Bewertung stuft er die Aktie weiterhin nur mit "Neutral" ein.

Anders als seine Berufskollegen hält der für die Berenberg Bank tätige Analyst eine Nachbesserung der angeblichen Shire-Offerte auf 180 bis 200 Franken je Aktie für möglich. Er schliesst nicht aus, dass sich in den kommenden Wochen weitere Interessenten zu erkennen geben. Sollte ein Käufer die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie für den Vertrieb bei Actelion zusammenstreichen, ergäbe das gemäss Berechnungen der Berenberg Bank einen fairen Wert je Aktie des Allschwiler Unternehmens von 162 Franken.

Das Aktionariat von Actelion gilt als stark fragmentiert und damit als stark zersplittert. Das Unternehmen müsste sich daher andere Abwehrmassnahmen gegen die sich abzeichnende unfreundliche Übernahme ausdenken. Neben Shire könnten weitere finanzkräftige Interessenten um Actelion ins Spiel kommen und einen Übernahmekampf lostreten.