Seit der Marktkorrektur Ende August, ausgelöst durch die Sorgen um Chinas Wirtschaft, kommt der Swiss Market Index (SMI) nicht mehr richtig vom Fleck. Die 4-Wochen-Performance ist mit minus 2,7 Prozent sogar negativ. Der SMI scheint etwas richtungslos in Richtung Jahresende zu torkeln. Die Kurse sind mal leicht positiv, mal leicht negativ, teilweise wechseln die Vorzeichen auch mehrmals am gleichen Tag.

Gabriel Bartholdi, Aktienstratege beim Beratungsunternehmen Wellershoff & Partners, sieht dieses doch etwas seltsam anmutende Marktverhalten in verschiedenen Trends begründet, die sich gegenseitig aufheben würden. Einerseit treibe die robuste Gewinnentwicklung die Aktienmärkte, vor allem weil sich das Euroland, einer der wichtigsten Schweizer Handelspartner, momentan erhole. Andererseits seien die global aufgestellten Schweizer Firmen von der Unsicherheit in China und dem unklaren Zeitpunkt über den ersten Zinsschritt in den USA betroffen. "Insgesamt fehlen die Fantasien für höhere Kurse", so Bartholdi im cash-Börsen-Talk.

Anleger wollen Schweizer Aktientitel

Trotz dieser unterschiedlichen Einflüsse und der anhaltenden Seitwärtsbewegung am SMI ist Bartholdi für den Schweizer Aktienmarkt alles andere als pessimistisch: "Der Schweizer Aktienmarkt bietet genau Titel, die Anleger zurzeit suchen". Im tiefen Zinsumfeld seien vor allem Aktien mit robusten Gewinnen und hohen Dividenden gefragt, was der Schweizer Markt mit dem hohen Anteil an Pharma- und Verbrauchsgüterunternehmen genau bieten würde.

In diesen Tagen und Wochen veröffentlichen die Schweizer Firmen ihre Drittquartalszahlen. Aus dem SMI liegen bislang die Ergebnisse des Aroma- und Riechstoffherstellers Givaudan und des Agrarchemiekonzerns Syngenta vor. Dabei könnten die Resultate unterschiedlicher nicht sein: Während erstere positiv überraschten, hat Syngenta einmal mehr seine Investoren enttäuscht. Eine klare Tendenz der bisherigen Zahlensaison ist nicht erkennbar, zumal es auch bei den kleineren Titeln sehr unterschiedliche Ergebnisse gab.

Alles in Allem sei der Schweizer Aktienmarkt sehr gut positioniert und auch der Einstiegszeitpunkt scheint momentan ideal. "Nach den Rückschlägen bieten sich wieder etwas günstigere Einstiegsmöglichkeiten und einer Aktien-Rallye bis Ende Jahr steht nichts mehr im Weg", sagt der Aktienexperte. Und weil auch keine globale Rezession in Sicht sei, würden sich auf einen Anlagehorizont ab 6 bis 12 Monaten ein Einstieg im Aktienmarkt durchaus lohnen.

Nahrungsmittel-Titel mit Problemen, Industrie mit Potential

Aktienstratege Bartholdi erwartet im weiteren Verlauf der Berichterstattung positive Zahlen von Schweizer Unternehmen, die ein starkes Euroland-Exposure aufweisen, während umgekehrt Firmen mit hoher Schwellenländer-Orientierung Probleme haben würden, wie dies auch bereits bei Syngenta der Fall war. Euro-Profiteure macht Bartholdi auch im Industrie-Sektor aus: "Ich sehe bei den Industrie-Titeln nach wie vor Chancen, vor allem weil der Sektor in letzter Zeit stark leiden musste". Der Optimismus beträfe Industrie-Firmen mit Fokus auf das Euroland. Wenn sich nun bessere Gewinnzahlen abzeichnen sollten, sieht Bartholdi hier durchaus ein gewisses Aufholpotenzial.

Auch für Pharma ist er positiv eingestellt. Die in jüngster Zeit aufgekommene Unsicherheit wegen einer möglicherweise stärkeren Regulierung der Medikamenten-Preise durch Hillary Clinton stuft er als Geschichte für den US-Wahlkampf ein mit nur geringen Chancen tatsächlich durchzukommen.

Anders beim Nahrungsmittelsektor, welcher ja in der Schweiz hauptsächlich durch den Grosskonzern Nestlé repräsentiert wird. "Nestlé ist zwar nach wie vor sehr robust, aber die Wachstumsfantasien im Nahrungsmittelbereich kommen aus den Schwellenländern, die ja derzeit Probleme bekunden", sagt Bartholdi.

Welche Sektoren für Anleger spannend sind

Mit diesen Einschätzungen ist Aktien-Experte Bartholdi vielerorts anderer Meinung als die Leserinnen und Leser von cash. Wie aus einer aktuellen Umfrage hervorgeht, setzen die rund 1400 Teilnehmenden in erster Linie (33 Prozent) auf den Pharmabereich mit den Titeln Roche und Novartis. Dahinter folgen die Nahrungsmittel (18 Prozent), Biotech (17 Prozent) und die Banken (16 Prozent). Etwas abgeschlagen dagegen am Ende die Luxusgüter und Industrie mit je 8 Prozent.

cash-Leser-Umfrage, Stand 15.10.2015, 08:00 Uhr (1400 Teilnehmer)

Im cash-Börsen-Talk erläutert Gabriel Bartholdi auch, wie durch die Unklarheit über die US-Zinswende die Märkte verunsichert werden und welche Veränderungen der strukturelle Wandel in China von einer industriegetriebenen zu einer konsumgetriebenen Volkswirtschaft mit sich bringen wird.