Das sagte EZB-Chef Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt. "Wir sind noch nicht so weit." Der EZB-Rat sei sich daher auch darüber einig gewesen, vorerst keine Änderung am Ausblick vorzunehmen. Die Notenbank müsse "geduldig und beharrlich" vorgehen. Der EZB-Rat hatte zuvor beschlossen, an der Option festzuhalten, den Umfang sowie die Dauer der betriebenen Anleihenkäufe bei Bedarf zu erweitern.

Ökonomen, Analysten und andere Experten sagten zum Beschluss der EZB und zu den Äusserungen Draghis in ersten Reaktionen:

Alexander Erdland, Präsident des Versichererverbands GDV:
"Nach der Rede des EZB-Präsidenten Draghi in Sintra hat die Zentralbank heute kein weiteres Signal für den Beginn eines Ausstiegs gegeben. Dies ist bedauerlich, denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen rechtfertigen schon lange keine extrem expansive Geldpolitik mehr, und die Kosten dieser Politik – allen voran für die private Altersvorsorge – steigen mit jedem Tag. Weder der leicht festere Euro noch die aktuelle Inflationsentwicklung erlauben einen weiteren Aufschub. Die Deflationsgefahren sind überwunden, und die Preisstabilität ist – wie im Maastrichter Vertrag gefordert – im Kern gesichert. Daher muss die EZB den Krisenmodus nun endlich verlassen und eine Verringerung der Anleihekäufe am 7. September beschliessen."

Christian Lips, NordLB:
"Für Herbst kündigte Draghi eine Entscheidung zur Zukunft des Anleihenkaufprogramms an, dies wird der Einstieg in den Ausstieg und somit ein Politikwechsel sein. Die Marktreaktionen auf die Rede Draghis in Sintra zeigen jedoch das Dilemma, in dem sich die EZB befindet. Sie muss einen kontinuierlichen, aber vorsichtigen Ausstiegspfad finden, will sie Marktverwerfungen so weit wie möglich vermeiden. Der Exit wird ein Drahtseilakt für die EZB."

Alexander Krüger, Chefökonom Bankhaus Lampe:
"Die EZB hat heute vermittelt, dass sie nur sehr langsam aus der ultra-expansiven Geldpolitik aussteigen wird. Dies zeigt sich daran, dass sie eine Ausweitung ihres Kaufprogramms noch immer in Erwägung zieht. Mit ihrer Vorsicht beabsichtigt die EZB, einen für Anleger und Staaten schmerzhaften Renditeanstieg bei Staatsanleihen ("Taper Tantrum") zu vermeiden. Da das kaufbare Material 2018 aber knapp wird, dürfte die Ausstiegsdebatte bereits auf der Ratssitzung am 7. September zurückkehren."

Jan Holthusen, DZ Bank:
"Nun richten sich alle Augen auf den Auftritt von Mario Draghi bei der Fed-Konferenz in Jackson Hole Ende August. Hier hatte er vor drei Jahren die Märkte auf das aktuelle Anleihekaufprogramm vorbereitet. Nun mutmassen viele, dass er dieses Forum nutzen könnte, um die Kommunikation für die Beendigung dieses Programms einzuleiten. Aus unserer Sicht sollte ein Ausstieg aus der extrem expansiven Geldpolitik sehr vorsichtig geschehen. Das gilt auch für die Kommunikation der Massnahmen: So sind sich die EZB und auch Draghi bewusst, dass es gilt, eine Verselbstständigung der Markterwartungen zu verhindern. Ein zu starker Renditeanstieg soll auf jeden Fall vermieden werden."

Marco Bargel, Chefökonom Postbank:
"Draghi hat sich nicht klar geäussert, ob die EZB im September oder im Oktober schon etwas ändert. Er hält sich sehr bedeckt. Erwartungen an eine schnelle, starke Trendwende bei der EZB haben einen Dämpfer bekommen."

Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes:
"Ich hätte mir gewünscht, dass die Europäische Zentralbank heute zumindest verbal einen weiteren kleinen Trippelschritt in Richtung Ausstieg aus der extrem expansiven Geldpolitik gewagt hätte. Die Konjunktur im Euro-Raum ist in einer guten Verfassung und die einst gehegten Deflationsbefürchtungen sind längst überwunden. Nach der Sommerpause wird der EZB-Rat über eine mögliche Reduktion des Aufkaufprogramms ab dem nächsten Jahr entscheiden. Eine Änderung der Leitzinsen ist aus heutiger Sicht aber noch bis weit ins nächste Jahr hinein unwahrscheinlich."

Uwe Burkert, Chefökonom LBBW:
"Die Spekulationen nicht weiter anheizen, genau das hatte sich Draghi wohl heute vorgenommen. Nach seiner Rede in Sintra spekulierte der Markt über ein baldiges Ende des Anleihe-Kaufprogramms, der Euro wertete auf und die Renditen stiegen an. Die Inflationsrate sei niedrig und wird dies wohl auch bleiben. Daher gibt es laut EZB-Chef auch noch keinen Termin, wann die EZB das Programm überdenken möchte. Das kann ich nur schwer glauben. Ich vermute, die EZB ist sich bereits jetzt einig, das Programm im September zu verlängern - dann aber bitte mit einem geringeren monatlichen Kaufvolumen."

Friedrich Heinemann, ZEW-Institut:
"Die Weigerung der EZB, ein allmähliches Auslaufen der Wertpapierkäufe auch nur kommunikativ vorzubereiten, wirkt zunehmend dogmatisch. Die Kreditversorgung der Unternehmen hat sich spürbar verbessert, der Konjunkturaufschwung in der Euro-Zone gewinnt an Breite und die Kerninflationsrate klettert. In diesem Umfeld ist die sehr aggressive Kombination aus Negativzinsen und Wertpapierkäufen geldpolitisch nicht mehr rational. Durch ihre Schweigsamkeit zu den Exit-Plänen für Anleihekäufe und Negativzinsen riskiert die EZB zunehmend, dass sie die Märkte nicht mehr rechtzeitig auf die im nächsten Jahr unverzichtbare geldpolitische Wende vorbereiten kann. Der EZB-Rat darf daher die nächste Chance für eine Neuausrichtung der Kommunikation in der Sitzung am 7. September nicht ungenutzt verstreichen lassen."

(Reuters)