Sie fristen üblicherweise ein Schattendasein und werden nur selten gehandelt. Der Kauf oder Verkauf kann sich über längere Zeit hinschieben und Informationen sind nur spärlich vorhanden: Die Rede ist von ausserbörslichen Aktien.

Doch bisweilen zeigen die "Over-the-counter"-Titel eine Performance, welche so gar nicht zu ihrem Schattendasein passen. Das ist auch jetzt der Fall, wie folgende Grafik deutlich macht:

Entwicklung nichtkotierte Aktien (BEKB-Liquidity Index, rot) und Swiss Market Index (grün) in den letzten 52 Wochen, Quelle: cash.ch

In den letzten 52 Wochen hat der BEKB-Liquidity Index - er umfasst die 50 grössten nichtkotierten Schweizer Aktien ab - 10 Prozent zulegen können. Damit überbietet er die ebenfalls sehr gute Performance des Swiss Market Index von plus 8 Prozent. Die Nichtkotierten steigen seit Sommer 2016 kontinuierlich an, während der SMI gegen Jahresende eine Delle aufweist (im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen).

Das hängt zusammen mit der geringeren Volatilität der ausserbörslichen Titel. Solche Aktien werden oft von Liebhabern gehalten, welche ihre Papiere nicht gleich beim ersten Gegenwind abstossen wollen. Das verleiht dem Kurs mehr Stabilität.

Institutionelle Anleger haben neuen Markt entdeckt

Auch volumenmässig kommt deutlich Bewegung in den OTC-Markt: Im Januar 2017 hat sich das Handelsvolumen bei der Berner Kantonalbank (BEKB), welche eine grosse Handelsplattform für nichtkotierte Titel anbietet, im Vergleich zum Vorjahr um 98 Prozent erhöht. Im Februar 2017 sind es laut Marktberichten der BEKB gar 120 Prozent mehr.

Wieso diese aussergewöhnliche Entwicklung? "Durch das schwierige Anlageumfeld ist der ausserbörsliche Handel wieder vermehrt in den Fokus der Anleger gerückt", sagt Thomas Brunner, der bei Lienhardt & Partner Privatbank für den ausserbörslichen Handel verantwortlich ist, auf cash-Anfrage. Und fügt noch einen sehr wichtigen Punkt an: "Vermehrt interessieren sich auch institutionelle Anleger für dieses Marktsegment."

Mit anderen Worten: Die Anleger - vor allem auch die institutionellen - wissen nicht, wohin mit der überschüssigen Liquidität und investieren deshalb vermehrt in wenig gehandelte Titel abseits der Börse.

Nachholbedarf noch immer vorhanden

Laut Brunner besteht zudem ein grosser Nachholbedarf. "Im letzten Jahr ging der OTC-Index zwar deutlich aufwärts, davor kam er jedoch drei bis vier Jahre nicht vom Fleck, während die klassischen Aktienmärkte angestiegen".

Die alte These, wonach OTC-Aktien mit einer gewissen Verspätung die Bewegungen des "normalen" Aktienmarktes nachvollziehen, könnte nun wieder gelten. Und sollte sich diese tatsächlich bewahrheiten, wird es am ausserbörslichen Markt noch weiter aufwärts gehen. Das sieht auch Brunner so: "Aufgrund der Entwicklung an den internationalen Aktienmärkten kann davon ausgegangen werden, dass am ausserbörslichen Markt noch Potenzial vorhanden ist."

Zur Rose absoluter Überflieger

Bei Betrachtung der Performance der Einzeltitel über die letzten 12 Monate (siehe Tabelle unten) gibt es einen eindeutigen Sieger: Die Thurgauer Online-Apotheke Zur Rose mit einem Zuwachs von 284 Prozent. An der BEKB wurden Zur Rose-Titel 2017 bereits über 90'000mal gehandelt. Das ist mehr als im ganzen Jahr 2015 und schon fast die Hälfte des Handels des ganzen letzten Jahres.

Bei Zur Rose positionieren sich Grossinvestoren. Mitte Januar gab die zum saudischen Königshaus gehörende Al Faisaliah Group eine Minderheitsbeteiligung von rund 6 Prozent an der Versandapotheke bekannt und wurde damit zum zweitgrössten Aktionär. Grösster Aktionär ist die Zuger Corisol-Gruppe mit 22 Prozent. In diesem Zusammenhang schrieb Zur Rose in einer Mitteilung Ende Dezember: "Der Verwaltungsrat stellt fest, dass das seit einigen Monaten verstärkte Anlegerinteresse auch in einer entsprechenden Kursentwicklung Niederschlag gefunden hat." 

Bei Zur Rose wird schon längere Zeit über ein IPO spekuliert. Im Oktober hatte sich - etwas überraschend - deren grösste Konkurrentin "Shop Apotheke Europe" mit Hauptsitz in den Niederlanden kotieren lassen. Eine Firma, die 2015 sechsmal weniger Umsatz als Zur Rose erzielte. Ob Zur Rose nachziehen wird? 

Reishauer: Die Lindt-Aktie unter den Nebenwerten

Zweitbester Performer in den letzten zwölf Monaten ist Linde Holding (Kurs plus 55 Prozent), welche die Privatklinik Linde in Biel betreibt, gefolgt von Brauerei Falken (plus 36 Prozent) in Schaffhausen und dem Konglomerat Conzzeta (plus 25 Prozent), welches zweigleisig fährt und börsliche sowie nebenbörsliche Aktien anbietet.

Am unteren Ende der Performancerangliste tummeln sich auffallend viele vom Tourismus abhängige Firmen: Das Dolder Hotel (minus 22 Prozent), die Säntis Schwebebahn (minus 14 Prozent), das Stadtcasino Baden (minus 5 Prozent) und das Hotel Beau-Rivage Palace aus Lausanne (minus 5 Prozent).

Interessant ist die Aktie mit dem zweitgrössten Handelsvolumne 2017 hinter Zur Rose. Es ist der Werkzeugmaschinenhersteller Reishauer aus Wallisellen ZH. Diese Titel kosten jedoch 60'000 Franken pro Stück und sind daher für Kleinanleger kaum ein Thema. Im kotierten Bereich ist übrigens nur eine einzige Aktie noch schwerer: Lindt & Sprüngli. Reishauer gehört mit einer Kursentwicklung von plus 5 Prozent in den letzten zwölf Monaten trotz regen Handels aber nicht zu den besten Nebenwerten.

Performance der ausserbörslich gehandelten Aktien

Top 8Flop 8
TitelPerformance, 52 WochenTitel Performance, 52 Wochen
Zur Rose+284%Dolder Hotel-22%
Linde Holding+55%Säntis Schwebebahn-14%
Brauerei Falken+36%Aluminium Laufen-13%
Conzzeta -B+25%Weiss+Appetito-10%
Kursaal Casino+22%Stadtcasino Baden-5%
Schweizer Zucker+21%Beau-Rivage Palace-5%
Bank Oberaargau+20%Zürcher Oberland Medien-5%
Auto Holding+18%Ersparniskasse Affoltern-2%

Quelle: cash.ch, Stand 08.03.2017