Das Gute ins Töpfchen, das Schlechte ins Kröpfchen: Nach dieser Strategie trennte sich der Winterthurer Industriekonzern Rieter vor gut zwei Jahren von ihrer margenschwachen Automotivsparte. Als Hungergeschäft mit anspruchslosen Produkten, das nicht einmal die Kapitalkosten verdient, wurde die Rieter-Sparte damals verschrien. Kein Wunder interessierte sich kein Käufer ernsthaft für das Geschäft. Rieter blieb somit nur die Abspaltung.

Am 13. Mai 2011 ging die Sparte unter der Bezeichnung Autoneum mit einem Startpreis von 110,50 Franken an die Börse. Am darauffolgenden Tag stieg das Papier auf 118 Franken. Doch dann folgte ein veritables Kursdebakel. Die Aktie sackte innerhalb von nur drei Monaten um 58 Prozent auf 49 Franken ab. Nach einer kurzen Erholungsphase glitt die Aktie stetig zurück auf ein Allzeittief bei 36 Franken im Juli 2012. Auch die Valoren des ehemaligen Stammhauses Rieter verloren zünftig an Wert, wenn auch nicht so deutlich wie bei Autoneum. Doch das Blatt hat sich gewendet.

Autoneum straft Kritiker Lügen

Seit Beginn dieses Jahres ist Autoneum auf die Überholspur eingeschwenkt und lässt Rieter klar hinter sich. Rund 82 Prozent beträgt die Kursperformance von Autoneum, derweil die Rieter-Aktie knapp 2 Prozent tiefer notiert als noch zu Jahresbeginn. Zum Vergleich: Der Swiss Performance Index (SPI) legte im selben Zeitraum 19 Prozent zu.

Mit dem Geschäftsabschluss 2012 hat der Autozulieferer, der sich auf Schall- und Hitzeschutz bei Fahrzeugen spezialisiert, früher als erwartet die Kapitalkosten verdient. Der überraschend hoch ausgefallene Gewinn sowie ein starker Free Cashflow erlaubte es sogar, den Aktionären eine Dividende von 0,65 Franken auszuschütten.

Für das Gesamtjahr erwartet Autoneum allerdings einen Rückgang des Wachstums der weltweiten Automobilproduktion. Vor allem in Europa bleiben Autos Ladenhüter. So sackten die Neuzulassungen im Juni auf den tiefsten Stand seit 1996 ab. Insgesamt wurden in der Europäischen Union 1,13 Millionen Fahrzeuge verkauft, 5,6 Prozent weniger als noch im Vorjahresmonat. Dies gab der europäische Herstellerverband ACEA letzte Woche bekannt. Die Aktie reagierte aber kaum auf diese Meldung.

Anleger warten nun gespannt auf die Halbjahreszahlen am 26. Juli. Dann wird sich zeigen, ob die Turnaround-Story weiter geht. Gut die Hälfte des Turnarounds sei geschafft, sagte ZKB-Analyst Armin Rechberger kürzlich zu cash (zum Artikel).

Schwieriges Marktumfeld für Rieter

Diametral entgegengesetzt verläuft das Geschäft der Ex-Muttergesellschaft Rieter, die sich seit der Abspaltung vor gut zwei Jahren ganz auf das Textilgeschäft konzentriert. Im letzten Jahr hat das Unternehmen markant weniger verdient und musste in der Folge auch die Dividende kürzen. 2012 war geprägt vom schwachen Marktumfeld, was sich in deutlich tieferen Umsätzen äusserte.

Der Ausblick bleibt getrübt: Im ersten Semester sei mit einer nochmals tieferen EBIT-Marge als im Gesamtjahr 2012 zu rechnen, teilte Rieter an der Bilanzmedienkonferenz im März mit. Im zweiten Halbjahr soll sich die Marge dann aber wieder verbessern. Das Konzernergebnis dürfte demnach "leicht positiv" ausfallen, hiess es weiter. Der Aktienkurs bewegt sich seither zwischen 142 bis 165 Franken. Am Freitag notierten die Titel bei 157 Franken.

In diesem widrigen Umfeld stellt sich für Rieter die Frage, ob mit dem Herausbrechen der Automobil-Sparte im Mai 2011 womöglich einen strategischen Fehlentscheid getroffen wurde. Eine abschliessende Antwort wäre nach nur gut zwei Jahren Alleingang wohl etwas vermessen. Dennoch wird sich die Rieter-Geschäftsleitung mit CEO Erwin Stoller an der Spitze mit dieser Frage auseinandersetzen müssen – spätestens an der Präsentation der Halbjahresresultate am 25. Juli.

Fest steht: Für die Rieter-Aktionäre war die Abspaltung bislang ein Verlustgeschäft. Am Tag vor der Aufspaltung am 13. Mai 2011 notierte das Papier bei 390 Franken. Addiert man die Freitags-Schlusskurse der Rieter- und Autoneum-Aktie, resultiert ein Wert von 237,30 Franken - ergibt ein Minus von 152,70 Franken. Auch für die Autoneum-Aktionäre resultiert unter dem Strich ein Minus, wenn auch ein deutlich kleineres. Die Differenz zwischen damaligem Startpreis und aktuellem Aktienkurs beträgt 30,50 Franken.