Kürzlich stiessen sie auf offene Ohren - jedoch beim chinesischen Batteriekonzern CATL und dem US-Autobauer Tesla, die beide Produktionen in Deutschland planen. "Wenn wir eine deutsche Batteriezellfertigung wollen, ist die aktuelle Entwicklung ein Warnschuss", sagt Jörn Neuhausen von Strategy&, der Strategieberatung von PwC. Die Branche muss sich Experten zufolge ranhalten, um wenigstens bei den Zellen der nächsten oder übernächsten Generation die Nase vorn zu haben. Vorbild könnte die Halbleiterindustrie sein.

Auch diese verabschiedete sich nach langer Krise aus dem Massengeschäft mit Speicherchips, wie sie in Computern oder Handys zum Einsatz kommen. Doch bei Spezialprodukten wie Leistungshalbleiter für Autos, Züge, Fabriken, Windkraftanlagen oder Rechenzentren ist der deutsche Infineon-Konzern heute technologisch führend. "Bei Halbleitern für Autos geht es nicht um Standardprodukte, sondern um spezialisierte Anwendungen", erläutert Elmar Kades von der Unternehmensberatung AlixPartners. "Das lohnt sich."

Den Erfolg verdankt die Halbleiterindustrie auch modernster Fertigungstechnik in hochautomatisierten Reinraum-Fabriken, die mit staatlichen Subventionen gepäppelt werden. "Wenn wir die moderne Wafer-Fertigung nicht so gut beherrschen würden, wäre sie längst weg", erklärt Neuhausen von PwC.

Chipbranche mit Renaissance in Zentraleuropa

Bei der 300-Millimeter-Produktion werden grössere Siliziumscheiben hergestellt, was für mehr Ausstoss bei 70 bis 80 Prozent der Kosten im Vergleich zur Vorgängertechnik sorgt. In der Batteriezellfertigung ist das Produktions-Know-How dagegen vollständig abhanden gekommen. Vor Jahren stiegen die letzten Hersteller in Deutschland aus dem Geschäft aus und überliessen das Feld komplett den Asiaten.

Gerüstet mit Spezialprodukten, Fertigungsvorsprung und staatlicher Hilfe erlebt die Chipbranche derzeit sogar eine kleine Renaissance in Zentraleuropa: Infineon etwa erweitert seinen Standort in Villach in Österreich um ein 300-Millimeter-Werk, Konkurrent STMicroelectronics stockt in Frankreich und Italien auf.

Der Technologiekonzern Bosch absolvierte kürzlich den ersten Spatenstich für ein modernes Halbleiterwerk in Dresden - als "Silicon Saxony" hat Sachsen die ganze Branche dort versammelt. Die Schwaben wollen in ihrer neuen Fabrik Chips für die Autoindustrie und das Internet der Dinge herstellen. Eine eigene Batteriezellproduktion hat Bosch verworfen - zu teuer und zu riskant.

Zellen nach heute üblicher Technologie sind «wie Schüttgut»

Die heute gängigen Lithium-Ionen-Akkus gelten als Massenware. "Das ist wie Schüttgut", sagt ein Automanager. Wirklicher Wert, argumentieren viele Fahrzeugbauer, entsteht erst beim Paketieren, dem Zusammenfügen und -schalten der Zellen. Die Zellen stammen laut einer Studie der Beratungsfirma Berylls vorwiegend aus China, das ein gutes Drittel der weltweiten Nachfrage abdeckt. Aus Japan kommt demnach ein Viertel, aus den USA weniger als ein Fünftel. "Europäische Anbieter spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle", schreiben die auf die Autobranche spezialisierten Experten.

Asiatische Konzerne wie Samsung SDI, LG Chem oder Panasonic beliefern viele europäische Autobauer. Um die durch die Elektromobilität wachsende Nachfrage fabriknah bedienen zu können, haben einige Hersteller Fabriken in Osteuropa hochgezogen. Der chinesische Batterieproduzent CATL, der BMW, Daimler oder VW zu seinen Kunden zählt, plant eine Zellfabrik in Thüringen.

Tesla liebäugelt mit einem Werk an der deutsch-französischen Grenze, nach dem Vorbild der Gigafactory, die die Kalifornier gemeinsam mit Panasonic betreiben. "Eine Zellfertigung in Europa ist aus unserer Sicht logistisch richtig", sagt Batterieexperte Neuhausen von PwC. In allen Weltregionen sei es üblich, dass in der Nähe von Autowerken die Zulieferer angesiedelt sind.

Einig sind sich Befürworter und Gegner der deutschen Zellfertigung in einem Punkt: Den technologischen Vorsprung der Asiaten bei Batteriezellen einzuholen wird schwierig. "Der heutigen Technologie hinterherzurennen, bringt definitiv nichts", sagt BMW-Betriebsrat Peter Cammerer. Die Autobauer müssten zusehen, dass sie in der "Post-Lithium-Zeit" führend seien, und zwar nicht nur bei Forschung und Entwicklung.

Ob und wann sich neue Technologien wie Natrium-Ionen- oder Magnesiumbatterien durchsetzen, sei schwer abschätzbar. Die Konzerne müssten aber rasch eine strategische Entscheidung treffen und sich branchenweit zusammentun, um ihre sonst übliche Führungsrolle auch beim Herzstück des elektrischen Antriebs zu sichern. "Der richtige Zeitpunkt ist jetzt."

(Reuters)