Das Tiefzinsumfeld befeuert schon seit einigen Jahren den Schweizer Immobilienmarkt, die Schweiz ist voll von Baustellen. Gemäss einer Studie der Credit Suisse ist derzeit noch keine Trendwende in Sicht, da die Baugesuche stabil auf hohem Niveau verharren.

Das spielt der Baugruppe Implenia, klarer Schweizer Marktleader, in die Hände. Die Auftragsbücher stehen derzeit auf Rekordniveau, wie der Konzern Ende August in einer Mitteilung anlässlich der Halbjahreszahlen 2017 selber sagte. Also auch Euphorie am Aktienmarkt? Mitnichten. Der Kursverlauf des Implenia-Titels zeigt in diesem Jahr deutlich nach unten:

Kursentwicklung der Implenia-Aktie seit Jahresbeginn 2017, Quelle: cash.ch

Zwar erklomm Implenia Mitte Januar an der Börse bei knapp 79 Franken ein neues Allzeithoch, doch ist die Performance seit Jahresbeginn inzwischen bei minus 15 Prozent angelangt. Wie die Kursgrafik zeigt, kam am 24. August der grosse Einbruch von beinahe 12 Prozent an einem einzigen Handelstag.

Das ist kein Zufall: An jenem Tag präsentierte Implenia die Erstsemester-Zahlen, wo neben den gut gefüllten Auftragsbüchern auch Negatives ans Licht kam. Implenia schlitterte in die roten Zahlen mit einem Verlust von 12 Millionen Franken, nachdem im gleichen Vorjahreszeitraum noch ein Gewinn von 9 Millionen Franken herausschaute und kaum jemand einen Verlust erwartete. 

Tragödie in Norwegen, Abschreiber wegen Letzigrund

Allerdings ist dieses schlechte Resultat zum Teil mit Sonderereignissen zu erklären. Einerseits kehrte der Chef von Implenia-Norwegen nach einer Wanderung Anfang Mai nie mehr zurück und wurde Ende August tot aufgefunden. In der Folge seien gemäss Implenia einige Projekte ins Stocken geraten, der Konzern bewertete das Portfolio in Norwegen neu.

Darüber hinaus führte Implenia Bilanzanpassungen von 20 Millionen Franken durch, aufgrund des Letzigrund-Verfahrens. Die Stadt Zürich stellte 2010 erhebliche Baumängel am Zürcher Stadion fest. Die für den Bau verantwortliche Implenia bestritt diese Vorwürfe vehement. Diesen Februar entschied das Bezirksgericht jedoch, dass der Baukonzern für die Mängel aufkommen müsse. Der Fall ist noch immer nicht abgeschlossen.

Diese Rückschläge haben die Implenia-Aktie verbilligt: "Nach Verdauung des enttäuschenden Semesterergebnisses dürfte die tiefe Bewertung wieder stärker in den Vordergrund rücken", schreibt ein Analyst der Zürcher Kantonalbank (ZKB) in einer Unternehmensstudie.

Er schätzt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) 2018 auf günstige 15,1 und rät zum Kauf des Titels. Auch andere Analysten sehen bei Implenia noch Luft nach oben: Die Credit Suisse hat das Kursziel auf 75 Franken gesetzt, Kepler Cheuvreux gar auf 77 Franken. Zum aktuellen Kurs von 64,65 Franken bedeutet dies ein Aufwärtspotenzial von 16 bis 20 Prozent.

Es wird zuviel gebaut

Doch ganz frei von Risiken ist natürlich auch dieses Investment nicht: Die Bautätigkeit ist in der Schweiz zwar ungebrochen hoch, die Nettoeinwanderung jedoch rückläufig. Im cash-Talk von letzter Woche zeigte sich ImmoScout24-Direktor Martin Waeber besorgt über diese Entwicklung. Jedes Jahr werde 10 Prozent zu viel gebaut, was direkt in steigende Leerstände hineingehe (siehe cash-Artikel).

Die Bautätigkeit dürfte also früher oder später zurückgehen, was sich dann in den Auftragsbüchern von Implenia negativ bemerkbar machen wird. Gemäss Waeber werde aber zumindest in den nächsten zwei bis drei Jahren wegen des anhaltenden Tiefzinsumfeldes auf dem jetzigen Niveau weiter gebaut. Der Implenia-Aktie bleibt also noch genügend Zeit, wieder anzusteigen.