Medizin, Digitalisierung und Zukunftstechnologien, Onlinehandel: Die Trends der nächsten Jahre sind gesetzt. Die Aktienentwicklung der vergangenen sechs Monate reflektiert dies nur zum Teil. Aber wie sollte es auch so sein – eine sehr "rationale" Phase haben die Märkte nicht hinter sich.

Blick zurück: 23. März 2020, ein Datum mit Geschichte. Nach fast genau einen Monat brutaler Kursstürze fingen sich an jenem Tag weltweit die Aktienmärkte. Die Höllenfahrt hatte um den 20. Februar begonnen: Zu diesem Zeitpunkt drehte sich die Sorglosigkeit über das Coronavirus, das sich zuerst in Asien ausgebreitet hatte, in Panik.

Der SMI hatte vor dem Sturz 11'270 Punkte erreicht. In den schlimmsten Momenten tauchte er auf 7650 Punkte herunter.

Doch wie es an den Märkten so geht, verflog diese Panik nach einem Monat wieder. Dies, obwohl in jenen Tagen die Infektionen und Todeszahlen hoch waren und die meisten Länder in einem wirtschaftlich verheerenden Lockdown steckten. Der Wiederanstieg der Kurse stellte sich in der Folge so schnell ein, dass eine beträchtliche Zahl von Investoren den Moment zunächst ziemlich verpasste. Im Frühsommer war darum von der "meistgehassten Rally aller Zeiten" die Rede.

Vom Tal der Tränen bewegten sich die Kurse in einen unruhigen Höhenflug. Den inzwischen wieder hohen Kursen wird weitherum misstraut. In einigen Fällen wohl zurecht: Die beste Aktie am Schweizer Markt ist Relief Therapeutics mit einem Kursgewinn von 3806 Prozent. Diese Aktie hat zweifellos einige Aktionäre reich gemacht. Angetrieben worden ist der Kurs von Erwartungen an den Wirkstoff Aviptadil, der sich als gute Behandlung von Corona-Atemproblemen erweisen könnte. Noch sind aber nicht alle Tests abgeschlossen.

Die SMI-Gewinnerin Lonza hat im Prinzip aus demselben Grund stark performt. Der Pharma-Zulieferer arbeitet mit der US-Firma Moderna zusammen, die zu den wichtigsten Entwicklern eines Impfstoffs gegen das Coronavirus zählt. Doch der Lonza-Kurs bewegt sich seit Anfang August seitwärts und hat seit dem damaligen Höchst über 4 Prozent verloren.

Relief hat nach einem spektakulären "spike" Anfang August ein Drittel Börsenwert eingebüsst. Dies zeigt, dass beim Hype um diese Biotechfirma nicht alles auf Nachhaltigkeit beruht. Kaum fundamentale Gründe haben auch die Kurs-Hickhacks von Biotech- und volatilen Technologie-Titeln wie Perfect Holding, Meyer Burger, Achiko oder Newron, die sich im SPI-Ranking in den vordersten oder hintersten Reihen bewegen (siehe Tabelle).

Beim Gesundheitstitel Lonza – ganz im Sinne von Zukunftstrends – sind Aktionäre hingegen weiter gut aufgehoben, aber nicht allein wegen Impfstoffhoffnungen, sondern wegen den generell hohen Qualitäten des Unternehmens. Das Stichwort Qualtät lenkt den Blick auf Titel, die in der Rally im hinteren Drittel des Rankings liegen: Roche (+16 Prozent), Novartis (+12 Prozent) und Nestlé (+11 Prozent) etwa. Somit sind sie nicht die Top-Aktien der grossen Erholung - trotzdem sind sie gut aufgestellt. Oder bestens für das präpariert, was künftig wichtig sein wird. Auch jemand wie Alcon (+24 Prozent) wird dies vielleicht bald sein.

Wer Ende März Aktien kaufte, hat allerdings mit fast allen Titeln der Schweizer Börse Gewinne gemacht. Die gelisteten Repräsentanten der "Old Economy" liefen natürlich auch gut, und das nicht unverdientermassen. Denn eine Erholung der ganzen Wirtschaft aus dem Lockdown-Tief ist notwendig.

Dass Autoneum aus der Krisenbranche Autozulieferung den Wert verdoppelt hat und damit zu den Top Ten der Schweizer Aktien im Sechs-Monate-Rückblick gehört, ist ein gutes Zeichen. Im SMI stehen die wettbewerbsfähigen Zykliker Adecco (+50 Prozent), ABB (+48 Prozent) oder LafargeHolcim (+37,5 Prozent) im oberen Drittel des Kurs-Rankings. Volatil bleibt es im Ausblick trotzdem.

«Old Economy» in der Finanzbranche

Gegenwind hat die Finanzbranche. In der Erholung haben die grossen Banken und Versicherer ihren Kurswert um ein Fünftel bis fast die Hälfe gesteigert. Beobachtet man aber die Kursentwicklung seit Anfang Jahr, bilden diese Finanzkonzerne die zweite Hälfte des Rankings. Die UBS liegt seit Anfang Januar mit knapp 10 Prozent im Minus, Swiss Re um ein Drittel. Dazwischen gruppieren sich Zurich (-14 Prozent), Swiss Life (-22,5 Prozent) und Credit Suisse (-23 Prozent).

Dieses Potenzial steckt jetzt in den Schweizer Tech-Aktien

Der Lack ist ab: Bei den Versicherern mit ihrem Ruf der Solidität ist dieser Eindruck etwas auffälliger als bei den Banken, die ihrerseits seit Jahren viele Kritiker am Aktienmarkt haben. Banken und Versicherer sind zwar ungemein wichtig, aber auch sie werden mehr und mehr als Teil der Old Economy gesehen.

Finanztitel werden nicht attraktiver, nur weil wie vor wenigen Tagen einmal wieder Fusionsgerüchte um die UBS und die CS herumgehen. Sie werden es dann, wenn sie glaubwürdig (und in vernünftigem Mass) Digitalisierungs-Promotoren werden. Oder, wenn sie ihre vielkritisierten Kosten senken und ihre Geschäftsmodelle besser auf die Zukunft ausrichten. Und dafür sind in manchen Bereichen erst Ansätze zu erkennen.