Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?

Burkhard Varnholt: Die Corona-Krise dominiert weiterhin die Finanzmärkte. Doch mit der Überwindung der Lockdowns und der globalen Erholung der Börsen gewinnen auch andere Themen wieder an Bedeutung. Besonders die Geopolitik und die US-Wahlen könnten im Sommer die Börsen und Medien wieder stärker prägen.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?

Aktuell werden alle Börsen weltweit von einer Aufholjagd der "frustrierten Bären" getrieben, die in der Krise zu viel Liquidität schufen und nun erkennen, dass deren Wiederanlage in Bonds auf absehbare Frist ein tristes Spiel ist.

Mehr als 90 Prozent aller weltweiten Staatsanleihen bieten aktuell weniger als ein Prozent Rendite – das ist die unsichtbare Kraft, welche die Aktienbörsen wahrscheinlich noch für längere Zeit unterstützen wird.

Wir haben aus diesem Grund bereits Ende März unsere Allokation in globalen Aktien und hochverzinslichen Anleihen auf "Übergewichten" gesetzt. Daran halten wir weiterhin fest.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?

Kursziele sind immer ein wenig wie Kaffeesatz-Lesen. Aber okay. Unser Kursziel für den SMI in 12 Monaten lautet: 10’700.

Schweizer Pfandbriefe sind derzeit gefragt. Für wie attraktiv halten Sie diese Investition für Anleger?

Schweizer Pfandbriefe waren schon immer beliebte Anlagen. Sie sind so solide wie Schweizer Eigenheime und offerieren eine positive Rendite.

Aber auch sie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass in beiden ihren Standbeinen – den Immobilien- und den Kapitalmärkten – die Luft seit der Krise dünn geworden ist. Wahrscheinlich werden wir in den nächsten 12 Monaten auch aus ihnen Umschichtungen in solide Aktienwerte sehen.

Sehen Sie drei europäische Aktien, denen Sie eine besonders starke Entwicklung zutrauen?

Wir sehen diesbezüglich derzeit folgende drei europäische Aktien:

1. Banco Santander, Kursziel EUR 3.40

2. Orange, Kursziel EUR 14.00

3. Siemens, Kursziel EUR 145.00

Auch der afrikanische Kontinent leidet unter der Corona-Pandemie. Sehen Sie dennoch einige Länder, die – und deren Börsen – sich positiv entwickeln?

In Afrika ist der Kollateralschaden der Lockdowns wesentlich höher als die Auswirkungen der Pandemie. Afrika hat die jüngste Bevölkerung der Welt. Das gibt ihr eine natürliche Resilienz in dieser Krise.

Aber durch die Lockdowns verlieren Millionen Menschen ihr Einkommen ohne auf Reserven zurückgreifen zu können. In den letzten Wochen haben Hochwasser in Ostafrika 1,5 Millionen Menschen ihre Häuser überschwemmt und tropische Krankheiten wie Bilharziose, Durchfall, Malaria und Tuberkulose ansteigen lassen, die wegen der Lockdowns kaum behandelt werden.

Im Nordosten des Kontinents haben hingegen Heuschrecken dieses Jahr die Nahrung für über 20 Millionen Menschen zerstört. Sie sehen, dass die Krise auf jedem Kontinent ganz anders wirkt. Die beste Investition in Afrika machen Sie, wenn sie in Bildung, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung investieren. Das ist mir seit Jahren ein Anliegen.

Burkhard Varnholt ist Anlagechef der Swiss Universal Bank und Vize-Chef des Global Investment Committee der Credit Suisse.