Das Softwarehaus Crealogix aus Zürich wurde 1996 gegründet und zählt heute zu den führenden Anbietern im Schweizer Digital Banking. Die Plattformen für E-Banking oder Mobile Banking sind bei einer Reihe Schweizer und internationaler Banken im Einsatz.

Durch die zunehmende Digitalisierung in der Finanzbranche erlebt Crealogix rasches Wachstum, die Firma macht aber seit drei Geschäftsjahren wieder Verlust. Etwas, das CEO Thomas Avedik in naher Zukunft ändern möchte, wie er im Interview mit cash.ch sagt.

cash: Die Szene innovativer Finanztechnologie-Firmen sorgt derzeit für viel Gesprächsstoff. Fast täglich tauchen neue Unternehmen auf, andere verschwinden. Haben Sie selbst noch den Überblick?

Thomas Avedik: Die ganze internationale Szene im Blick zu haben, ist gar nicht möglich und auch nicht unser Anspruch. Wir verfolgen bestimmte Themen und die damit in Verbindung stehenden Fintech-Unternehmen.

An welche Themen denken Sie konkret?

Die Zusammenfassung von mehreren Konten wird immer wichtiger, weil der Kunde die Übersicht über seine verschiedenen Bankbeziehungen behalten möchte. Gerade in der Schweiz erwarten wir zudem zunehmende Popularität von digitalen Bankberatungsangeboten. Andere Gebiete wie die Nutzung von Blockchain sind erst noch in einer Experimentierphase.

Zählt Crealogix noch zur Fintech-Szene oder gehören Sie bereits zu den arrivierten Playern?

In der Wahrnehmung des Marktes haben wir zwei Gesichter. Einerseits das innovative Fintech-Unternehmen. Andererseits die etablierte, börsenkotierte Schweizer Firma, die eine Wandelanleihe über 25 Millionen Franken aufnehmen kann. Wir können beides, aber Crealogix war schon Fintech, als es diesen Begriff gar noch nicht gab.

Viele Banken sichern sich aufstrebende Technologien, indem sie junge Fintech-Startups übernehmen. Halten Sie auch laufend Ausschau nach möglichen Übernahmekandidaten?

Wir tätigten im letzten Jahr mit Elaxy eine grosse Akquisition, die uns Marktzugang in Deutschland ermöglichte. Momentan haben wir diesbezüglich keine konkreten Pläne. Unser Ansatz ist aber ein anderer: Über unsere offene Plattform führen wir die Angebote von Fintech-Unternehmen und die Bedürfnisse grösserer Banken zusammen. Wir sind in diesem Fall das Bindeglied. Fintechs zu kaufen wird für Banken sowieso immer weniger wichtig. Die reibungslose Orchestrierung von verschiedenen Fintech-Dienstleistungen auf einer Plattform ist für die Banken entscheidend.

Gibt es Beispiele von technologischen Neuerungen im Banking, die Sie vor einigen Jahren nicht für möglich gehalten hätten?

Einer unserer Kunden ist die deutsche DKB Bank. Sie bindet auf ihrer Plattform laufend neue Angebote von Fintech-Startups ein, worauf die Kunden dann zugreifen können, zum Beispiel eine Paypal- oder Cringle-Anwendung. Solche Integrationen hätten früher Jahre gedauert, mit den heutigen Programmierschnittstellen geht das ganz einfach. Ausserhalb der Schweiz wird die Öffnung der Banken vom Regulator zusätzlich gefördert.

Kommt das Ihrer Vision von der Bank der Zukunft schon recht nahe oder erwarten Sie weitere grosse Veränderungen?

Wer heute verschiedene Finanzangebote unterhält, etwa eine Hypothek, ein Autoleasing, ein Crowdlending und mehrere Konten, der muss sich um alles separat kümmern. Am angenehmsten wäre es aber, wenn man alles unter einem Dach bündeln könnte. Das ist die Zukunft einer erfolgreichen Bank.

Ist es denn realistisch, dass ich über meinen UBS-Hub eine Hypothek bei der Raiffeisen Bank aufnehmen kann?

Bis dieses Szenario eintritt, dauert es noch ein Weilchen, aber es wird kommen und die Digitalisierung wird die Öffnung der Banken vorantreiben. Die Schweiz ist insofern ein Spezialfall, als dass wir viele Universalbanken haben, die einen Grossteil der möglichen Dienstleistungen selbst anbieten. In Deutschland zum Beispiel ist der Markt viel stärker segmentiert mit diversen Spezialisten. Umgekehrt gibt es in der Schweiz kaum Direktbanken.

Die Schweizer Finanzindustrie befindet sich in einer grossen Konsolidierungsphase. Sterben Ihnen allmählich die Kunden aus?

Banken müssen sich grundsätzlich fragen, wie sie zu neuen Erlösen kommen. Die noch stärkere Fokussierung auf die Bedürfnisse der Kunden ist hier ein wichtiger Punkt. Durch die Analyse des Kundenverhaltens können Banken massgeschneiderte Lösungen anbieten und diese über digitale Kanäle an den Kunden bringen.

Ist der zukünftige Crealogix-Kunde vielleicht gar keine Bank mehr? Rechnen Sie mit dem Markteintritt von grossen Technologie-Firmen?

Es gibt ja verschiedene Versuche, in den Zahlungsverkehr einzusteigen. Für Marktfremde wie Apple, Google oder Amazon ist aber der Schritt hin zu einer richtigen Bank immer noch eine grosse Hürde. Sonst wäre er schon lange vollzogen worden.

E-Banking ist ja mittlerweile fraglos etabliert. Wie gross ist die Akzeptanz bei neueren Anwendungen wie dem Banking übers Handy?

Eine Anwendung wird immer dann akzeptiert, wenn sie die Bequemlichkeit erhöht. Wichtig ist aber, dass der Kunde eine Wahl hat und dass die Angebote transparent sind. Für die Banken ist dieser Schritt schwierig, aber unvermeidbar.

Sorgen Sicherheitsbedenken nicht zu einer starken Zurückhaltung bei neuen Technologien?

Hacker wägen immer Aufwand und Ertrag gegeneinander ab. Solange es also einfache Ziele gibt, werden sich die professionellen Angreifer darauf fokussieren. Also ist es die Aufgabe der Anbieter, den Hackern die Arbeit möglichst zu erschweren. Aber absolute Sicherheit gibt es nie, weder am Computer noch auf dem Handy. Die entscheidende Frage ist dann, wie anwenderfreundlich eine Sicherheitslösung ausgestaltet ist.

Sie machen immer noch den grössten Teil des Umsatzes in der Schweiz. In welchen anderen Märkten sehen Sie noch Potenzial?

Unsere beiden Heimmärkte sind die Schweiz und Deutschland. Auch in Grossbritannien sind wir stark vertreten. In der Schweiz sind wir bereits Marktführer, deshalb suchen wir Wachstum vor allem im Ausland, insbesondere in Deutschland und Grossbritannien. Wir möchten den internationalen Umsatzanteil im laufenden Geschäftsjahr auf über 45 Prozent steigern.

Gerade in Grossbritannien dürften Sie nach dem Brexit aber mit einiger Unsicherheit zu kämpfen haben.

Es sind vor allem Unwägbarkeiten. Einerseits sind die regulatorischen Bedingungen in Grossbritannien sehr Fintech-freundlich. Das hilft uns insofern, als dass Banken unter dem Eindruck des Brexit ihr Angebot attraktiver machen möchten, indem sie neue Services integrieren. Andererseits steht die gesamte britische Finanzbranche vor einer ungewissen Zukunft und auch das schwache Pfund bekommen wir zu spüren.

Anlässlich der letzten Ergebnispräsentation gaben sie das ambitionierte Ziel von mehr als 10 Prozent Umsatzwachstum und eine EBITDA-Marge von mehr als 5 Prozent bekannt. Sind diese Zahlen auch nach dem Start ins neue Geschäftsjahr noch aktuell?

Ja, an diesen Zielen für das laufende Geschäftsjahr halten wir nach wie vor fest.

Starkes Umsatzwachstum, aber unter dem Strich ein Defizit. Die Geschäftszahlen von Crealogix erinnern an ein Startup-Unternehmen. Wann erreichen Sie die Gewinnschwelle?

Wir haben in der Vergangenheit grosse Investitionen getätigt, was durchaus Startup-Charakter hat. Wir sind aber immer im Rahmen unseres langfristigen Planes geblieben, der Verlust vorsieht. Beim EBITDA haben wir uns bereits stark verbessert und wir sind auf dem richtigen Weg.

Seit zwei Jahren bezahlen Sie Ihren Aktionären keine Dividende mehr. Wann wird die Auszahlung einer Dividende wieder zum Thema?

Wir möchten mittelfristig dahin zurückkehren, um unseren Aktionären zusätzlich etwas für ihr Investment zurückzugeben. Zwar hat sich unsere Aktie in den letzten Monaten sehr positiv entwickelt. Aber sobald wir mit unserer Profitabilität auf Kurs sind, bezahlen wir auch wieder eine Dividende.

In den letzten fünf Jahren haben Anleger mit der Crealogix-Aktie aber kaum Geld verdient. Was spricht heute für einen Einstieg?

Die ganze Digitalisierung im Bankenbereich hat erst begonnen. Digitalisiertes Banking ist zwar schon verbreitet, digitales Banking aber noch nicht. Und in diesem Bereich sind wir für die Finanzinstitute der ideale Partner. Firmen wie wir gibt es auf der ganzen Welt vielleicht drei oder vier.

Sie waren an der hybriden Privatbank Leodan beteiligt, die ihre Aktivitäten aufgeben musste. Was haben Sie daraus gelernt?

Von unserer Seite als Technologielieferant lief alles nach Plan. Dann kamen aber bei der Bank Entwicklungen hinzu, die ausserhalb unseres Einflussbereichs stattfanden. Das Modell der hybriden Beratung, also die Kombination von klassischer Beratung mit digitalen Dienstleistungen, wird sich trotzdem durchsetzen.

Laut dem Berufsverband für Informatiker werden bis in acht Jahren in der Schweiz 25'000 Fachkräfte fehlen. Werden Sie in Ihrer Entwicklung durch den Fachkräftemangel ausgebremst?

Die Leute suchen Firmen mit guten Ideen und Entwicklungspotenzial. Momentan haben wir kein Problem, gutes Personal zu finden.

Bei rund 430 Angestellten haben Sie derzeit 18 freie Stellen. Ist das im Rahmen der normalen Fluktuation?

Einerseits wachsen wir und schaffen deshalb neue Stellen. Das heisst, offene Stellen sind Teil unseres Wachstumsprozesses. Andererseits passen auch wir uns an neue Entwicklungsprozesse und Formen der Zusammenarbeit an. Früher war es zum Beispiel nicht verbreitet, dass man über die Landesgrenzen hinweg gemeinsam an einem Software-Modul entwickelt hat. Diese neuen Formen der Zusammenarbeit sind zwar sehr spannend, können aber einzelne Mitarbeiter auch überfordern und zu einem Wechsel bewegen.

Thomas Avedik ist seit 1. Januar 2016 CEO der Crealogix-Gruppe, davor leitete er während acht Jahren den Geschäftsbereich Digital Banking. Vor seiner Zeit bei Crealogix startete er seine berufliche Laufbahn bei der UBS, wo er sich ebenfalls mit E-Banking beschäftigte. Avedik hat an der ETH ein Ingenieurstudium absolviert.