Zwar hat Tidjane Thiam, der neue starke Mann bei der Credit Suisse, seine Büroräumlichkeiten erst vor wenigen Wochen bezogen. Für das zurückliegende zweite Quartal darf er jedoch ein deutlich besser als befürchtetes Ergebnis vermelden.

Obschon Analysten der kleineren der beiden Schweizer Grossbanken im Vorfeld nur einen mässigen Zahlenkranz zugetraut hatten, übertrifft sie die Erwartungen nicht nur beim Geschäftsertrag, sondern auch beim Vorsteuergewinn und beim Konzernergebnis ziemlich deutlich.

An der Schweizer Börse SIX schiesst die Aktie der Credit Suisse zur Stunde um 5,6 Prozent auf 28,34 Franken nach oben. Das Tageshöchst liegt sogar bei 28,44 Franken und damit über den bisherigen Mehrjahreshöchstkursen. Beobachter berichten von aggressiven Anlage- und Deckungskäufen.

Zweites Quartal überzeugend auf der ganzen Linie

Die im zweiten Quartal erzielte Geschäftsentwicklung wird mehrheitlich gelobt. Viele Analysten räumen ein, dass ihre Schätzungen für das zurückliegende Quartal rückblickend zu pessimistisch sind.

Einem Kommentar aus dem Hause Zürcher Kantonalbank ist beispielsweise zu entnehmen, dass der um alle Sonderfaktoren bereinigte Vorsteuergewinn aufgrund der guten Ertragsentwicklung rund 15 Prozent über den Erwartungen liegt. Vor allem das Wealth Management habe sich erstaunlich stark entwickelt, so schreibt der Verfasser. Das sei umso wichtiger, weil davon auszugehen sei, dass der Fokus in Zukunft stärker auf diesen Geschäftsbereich zu liegen komme.

Fokus liegt nun auf der Analystenkonferenz

Da die Grossbank zu niedrig kapitalisiert sei, liege der Fokus immer auch auf der Entwicklung der Kapitalquoten. Diese hätten sich im zurückliegenden Quartal aufgrund des hohen Reingewinns und der hohen Aufnahme der Aktiendividende von 64 Prozent besser entwickelt als erwartet.

Dem Analysten zufolge ist der Zahlenkranz im zweiten Quartal insgesamt erfreulich ausgefallen. Als letztes Vermächtnis des alten Chefs Brady Dougan sei dieser allerdings zweitrangig. Wichtiger sei die Analystenkonferenz, bei der vermutlich versucht werde, dem neuen Chef Tidjane Thiam eine Einschätzung zur Kapitaladäquanz und zur strategischen Ausrichtung zu entlocken. Die Aktie der Credit Suisse wird dennoch nur mit "Marktgewichten" eingestuft.

Gleich vier positive Aspekte auf einmal

Bei Kepler Cheuvreux heisst es, dass sich die Kernkapitalquote der Credit Suisse im zweiten Quartal zwar verbessert habe. Allerdings liege sie weiterhin hinter jener anderer Mitbewerber zurück. Für Tidjane Thiam bleibe die Eigenkapitalbasis damit die grösste Herausforderung. Trotz des deutlich besser als erwarteten Ergebnisses wird die Aktie weiterhin mit "Reduce" und einem optisch tiefen Kursziel von 22,50 Franken zum Verkauf empfohlen.

Deutlich konstruktiver gibt sich der für die UBS Investmentbank tätige Berufskollegel Er gewinnt dem vorliegenden Resultat gleich vier positive Aspekte ab. Der Vorsteuergewinn habe die Erwartungen übertroffen, das Wealth Management substanziell zur positiven Überraschung beigetragen, die Geschäftsentwicklung im Raum Asien/Pazifik stark ausgegfallen und auch die Kapitalquoten hätten überzeugt. Er rechnet deshalb mit einer positiven Reaktion der mit "Neutral" und einem 12-Monats-Kursziel von 28 Franken eingestuften Aktie.

Starkes Wealth Management sorgt für Fantasie

Händlern zufolge sorgt der starke Ergebnisbeitrag aus dem Wealth Management im Hinblick auf die vom neuen CS-Chef in Aussicht gestellte Strategieüberprüfung für Fantasie. Diese könne dazu führen, dass die Grossbank ihren strategischen Schwerpunkt in Zukunft auf diesen Geschäftszweig lege und dem Vorbild der Erzrivalin UBS folge, so heisst es. Nicht zuletzt deshalb wird der Aktie der kleineren der beiden Schweizer Grossbanken auf kurze Sicht eine Aufholjagd auf jene der UBS zugetraut.