Ein Händler, der ein Zertifikat genau dann orderte, als das Papier für einen Zeitraum 500 Mal billiger notierte als kurz davor und kurz danach, verlangt diesen Betrag, weil die Bank sich später nicht an das Geschäft gebunden sah.

Händler Armin S., der seinen vollständigen Namen nicht veröffentlicht sehen will, hat nach eigenen Angaben zunächst Klage in Höhe von einer Million Euro vor dem Landgericht Frankfurt am Main eingereicht. Den Rest will er zur Not später einklagen. Grund ist, dass die BNP auf die Order nicht geliefert habe. Das Institut habe sich darauf berufen, es könne die Zusage "wegen Irrtums" anfechten, so Armin S. gegenüber Bloomberg News. Dagegen argumentiert Armin S., die BNP sei an die Order gebunden, weil die Bank nicht innerhalb einer vertraglich für solche Fälle vorgegebenen Frist widersprochen habe.

Die BNP Paribas wollte sich auf mehrfache Nachfrage von Bloomberg nicht zu der Auseinandersetzung äussern.

Massiver Kurssprung

Armin S. handelt seit drei Jahren auf eigene Rechnung, nach Stationen bei Citigroup und der WestLB. Am 4. Dezember 2015 habe er über die Handelsplattform "Cats" 3000 Stück des Autocallable-Zertifikats mit der Kennnummer DE000AA2GDQ0 gekauft, erklärte er. Warum er das Zertifikat ausgerechnet in jenem Zeitraum orderte, will er nicht sagen.

Der Kurs war zum Zeitpunkt seiner Order mit 108,80 Euro angegeben. Der Kauf sei so auch gebucht worden und einen Tag später von seiner Depotbank, der Frankfurter BIW Bank für Investments und Wertpapier AG, zu diesem Kurs abgerechnet worden, so Armin S. Noch am Tag zuvor hatte das Papier bei 55.192 Euro notiert, also mehr als 500 mal höher als der Betrag, zu dem Armin S. abschloss - ein Gewinn von über 160 Millionen Euro erscheint auf seinem Depot, erzählt der Händler.

Dieser Gewinn erwies sich jedoch als theoretisch - denn Armin A. verfügte nie über die Wertpapiere, weil die BNP sie nicht lieferte. Die BIW buchte die Position im Januar 2016 schliesslich wieder aus seinem Depot. Er hatte seine Depotbank bereits Anfang Dezember bei den Franzosen nachfragen lassen, wo die Papiere blieben.

Als Antwort erhielt die BIW am 8. Dezember 2015 eine E-Mail der BNP. "Der Trade wurde erfasst und muss von unseren IT-Kollegen manuell gebucht werden", hiess es in dem kurzen Schreiben, das Bloomberg News vorliegt. Und weiter: "Dies wird nun geschehen".

Am 14. Dezember 2015 erhielt die Depotbank BIW von der BNP ein Schreiben mit Datum vom 10. Dezember 2015, in dem die BNP Paribas erklärt, sie fechte das Geschäft "wegen Irrtums fristgerecht" an. Die BIW antwortet, sie akzeptiere die Anfechtung nicht, da "weder ein Anfechtungsrund vorliegt noch eine etwaige Anfechtungsfrist eingehalten wurde".

Am 15. Dezember 2015 schreibt die BNP erneut und erläutert, das Geschäft nicht erfüllen zu wollen, da sie "irrtümlich einen Preis von 108,80 Euro anstelle des eigentlich gewollten, richtigen Preises von 54.400,00 Euro" angegeben habe.

Kein «Fat-Finger»-Fehler

Im elektronischen Handel passieren Mistrades immer wieder. Sogenannte "Fat-Finger"-Fehler, die durch Eingabe falscher Stückzahlen oder Preise entstehen, können in der Regel einfach behoben werden. Das Geschäft muss binnen einer gewissen Frist der entsprechenden Börse gemeldet werden. Bei ausserbörslichen Geschäften, wie bei Armin S., regeln Rahmenverträge Rechte und Pflichten der Teilnehmer.

Die Mistrade-Regeln zwischen der BIW und der BNP liegen Bloomberg News vor und sehen bei einem Schaden von mehr als 20.000 Euro vor, dass das fragliche Geschäft bis 11 Uhr des folgenden Handelstages rückgängig gemacht werden kann.

Armin S. hatte an einem Freitag geordert. Der folgende Handelstag war daher ein Montag, der 7. Dezember 2015. Die Bank hätte nur bis 11 Uhr dieses Tages anfechten können, argumentiert sein Rechtsanwalt Mario Bögelein.

Die E-Mail, die die BNP am 8. Dezember 2015, also einen Tag nach Ablauf der Frist sandte, interpretiert der Anwalt so: "Die Formulierung, dass das Geschäft 'erfasst' sei und 'manuell gebucht' werde, lässt auf die Bestätigung des Geschäfts schliessen und damit auch auf die Kenntnis und die Akzeptanz des Preises." Diese Bestätigung schliesse es aus, dass die BNP nun nachträglich anfechten könne, sagt Bögelein.

Wann genau die BNP den Fehler bemerkt hat, ist nicht bekannt. Bloomberg-Daten zeigen noch für den 10. Dezember 2015 einen Preis von 107,65 Euro, bevor die Kursstellung für einige Tage aussetzt. Erst am 22. Dezember 2015 springt der Kurs wieder auf 53.818,80 Euro.

Den Pflichten nicht nachgekommen?

Armin S. hat den Sachverhalt der Bonner Finanzaufsicht BaFin geschildert. Auf Anfrage von Bloomberg News erklärte die Behörde, sie wolle sich nicht äussern.

"Die Bank hat eine Verpflichtung, ihre Geschäfte ordentlich abzuwickeln, und dem ist sie womöglich nicht ausreichend nachgekommen", sagt Hans-Peter Burghof, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim in Stuttgart. "Die Aufsicht sollte sich anschauen, was da schiefgelaufen ist". Zuständig seien in diesem Fall aber wohl die französischen Behörden, so Burghof.

Die BIW hat ihre Rechte gegen die BNP in dieser Sache an Armin S. abgetreten. Die BNP habe auf seine Schreiben und die seines Anwalts nie reagiert, so Armin S.

(Bloomberg)