In einer Zeit, in der die Börsen kaum vom Fleck kommen, sind frische Impulse immer willkommen. Unsicherheiten rund um den geldpolitischen Kurs der amerikanischen Notenbank, wiederkehrende Rückschläge im Finanzsektor (Beispiel Deutsche Bank) und die bevorstehenden US-Wahlen haben in den zurückliegenden Monaten vielen Anlegern die Kauflust verdorben. Nicht nur in der Schweiz, auch an anderen wichtigen Börsen sind die Leitindizes kaum vom Fleck gekommen, wie folgende Übersicht zeigt.

Rendite ausgewählter Aktienmärkte

Index Performance 3 Monate, in % Perf. seit Anfang Jahr, in %
SMI -0,8 -8,2
Dow Jones -1,6 +4,7
Nikkei +2,2 -11,4
Dax +4,4 -2,2
Stoxx 50 -1,2 -8,7

Quelle: cash.ch (Stand 10.10.16)

Es gibt aber auch Stimmen, die sagen: Nur dank der Alternativlosigkeit von Aktien stürzen die Börsen nicht noch weiter ab in diesem Umfeld politischer und geldpolitischer Unwägbarkeiten.

Doch nun steht die Bilanzsaison zum dritten Geschäftsquartal vor der Tür - und mit ihr die Hoffnung auf neuen Schwung an den Aktienmärkten. Am Dienstagabend ist es der US-Aluminiumhersteller Alcoa, der als erstes international bedeutendes Unternehmen seine Bücher öffnet. Normalerweise erhofft man sich vom Ausblick, den Alcoa gibt, Hinweise auf den Zustand der globalen Konjunktur.

Derzeit erwarten Marktbeobachter für den Zahlenreigen der Unternehmen aus dem S&P-500-Index ein Umsatzwachstum von 2,2 Prozent und einen Gewinnrückgang von 2,5 Prozent. "Allerdings wird der Gewinn vom Energiesektor nach unten gedrückt", sagt Heinz Rüttimann, Aktien-Analyst bei der Bank Julius Bär, im Gespräch mit cash. Ohne diesen Sektor wäre das Gewinn-Wachstum im Vergleich zum Vorjahr unverändert.

Wenig Überraschungspotenzial erwartet

Dementsprechend erwartet Rüttimann nicht, dass der Start der US-Bilanzsaison die europäischen Aktienmärkte und die Schweizer Börse bedeutend beeinflussen wird. Denn der US-Markt hat noch immer eine starke Leitfunktion inne.

Aus der Schweiz liegen bereits die Zahlen des Chemiekonzerns Ems vor. Das Unternehmen hat zwar den Umsatz in den ersten neun Monaten gesteigert, ist damit aber hinter den Analystenerwartungen zurückgeblieben. Die Aktie reagierte am Freitag, am Tag der Veröffentlichung, überraschend stark mit einem Minus von 5,5 Prozent.

Einen weiteren Vorgeschmack auf die hiesige Zahlensaison lieferte am Montag der Aroma- und Riechstoffhersteller Givaudan. Auch hier zeigten sich die Anleger vom verlangsamten Wachstum wenig begeistert und schickten die Aktie auf Talfahrt. Ems und Givaudan als Vorboten einer eher trüben Flut an Unternehmenszahlen?

Eher nein. "Ich erwarte eine Schweizer Bilanzsaison mit wenig Überraschungspotenzial. Dafür hat sich die Welt in den letzten Monaten zu wenig verändert", sagt Börsen-Spezialist Thomas Germann von WMPartners.

Wann profitieren die Pharma-Aktien?

Dasselbe gilt seiner Meinung nach für die Index-Schwergewichte Nestlé, Novartis und Roche, die in den kommenden zwei Wochen ihre Ergebnisse zum dritten Quartal präsentieren – Nestlé und Roche am 20. Oktober, Novartis fünf Tage später. Die beiden Grossbanken Credit Suisse (3. November) und UBS (28. Oktober) folgen noch ein wenig später.

Noch immer gehören die Basler Pharma-Giganten zu den schlechtesten SMI-Aktien im laufenden Jahr, geschlagen nur von den Uhren-Aktien Richemont und Swatch sowie den Banken-Valoren. Doch das könnte sich laut Anastassios Frangulidis allmählich ändern.

"In den letzten Monaten hat sich die Situation in den wichtigsten Schwellenländern verbessert. Gleichzeitig ist der Dollar etwas stärker geworden. Beides ist zum Vorteil der Schweizer Index-Schwergewichte", sagt der Senior Investment Manager bei der Privatbank Pictet. Und so ist Frangulidis für die weitere Entwicklung der Schweizer Börse zuversichtlich. Allerdings nur, "wenn der Franken handelsgewichtet stabil bleibt".

Ein weiterer Effekt könnte den Schweizer Leitindex positiv beeinflussen: Der Börsenboom bei kleinen und mittelgrossen Unternehmen ist weit fortgeschritten und hat ihre Bewertungen nach oben getrieben. "Viele gute Geschäftsmodelle sind teuer geworden", sagt Thomas Germann. Er erwartet deshalb, dass ein Umschwenken hin zu grosskapitalisierten Aktien eintritt, falls die hohen Erwartungen der Investoren an die Small und Mid Caps nicht mehr erfüllt werden.

Ein Ereignis folgt auf das nächste

Unter dem Strich ist die anstehende Bilanzsaison aber nur ein Event von vielen, auf den die Investoren ihren Fokus richten. Ist ein Ereignis vorbei, rückt das nächste in den Mittelpunkt. Nach den Zahlen der Unternehmen steht die Präsidentschaftswahl in den USA an. Und für Verunsicherung könnte auch das italienische Verfassungsreferendum (am 4. Dezember) sorgen.

Schliesslich finden auch noch zwei Sitzungen des Offenmarktausschusses der Federal Reserve statt, an denen theoretisch eine Zinserhöhung beschlossen werden kann. Während der Termin am 1./2. November zu nahe an den US-Wahlen liegt, ist eine Erhöhung im Dezember durchaus möglich.

"Die nächste Zinserhöhung in den USA erfolgt nur dann noch in diesem Jahr, wenn es davor nicht zu Turbulenzen kommt. Wenn also Hillary Clinton zur Präsidentin gewählt wird", sagt Ökonom Frangulidis. Er ist auch überzeugt, dass ein solcher Schritt ohne nachhaltig negativen Einfluss auf die Aktienmärkte über die Bühne gehen wird.