Die Credit Suisse zahlt in den USA für Steuerdelikte 2,6 Milliarden Franken Busse. Hätten CEO Brady Dougan und VR-Präsident Urs Rohner nicht längst gehen müssen?

Ja, natürlich hätten sie gehen müssen. Die sind schliesslich verantwortlich. In solchen Positionen kann man keine Geschäfte machen, ohne dass man nichts davon mitbekommt. Wenn die beiden sagen, sie hätten nichts gewusst, haben sie die Firma nicht im Griff. Oder sie lügen.

Warum sind Dougan und Rohner nicht zurückgetreten?

Sie verlieren sonst ihr Salär. Rohner findet keinen vergleichbaren Posten mehr als Verwaltungsratspräsident, Dougan auch nicht. Es geht um Geld, um Position und um Prestige. Interessant ist ja auch: Diejenigen Medien, die sehr viele Inserate der Credit Suisse haben, schrieben, die beiden Herren seien unschuldig.

Die UBS etwa ist in Frankreich unter Druck. Werden weitere Länder den Braten riechen und Schweizer Banken unter Druck setzen?

Natürlich. Frankreich ist der Schweiz sowieso nicht gut gesinnt. Die Franzosen gehen mit dem Geld nach Genf, und das will die Regierung nicht haben. Dort kommt auch eine saftige Busse. Aber die Bussentournee hat überhaupt erst angefangen. Das geht noch viel weiter. Es kommen ja auch Klagen auf die Schweizer Banken zu wegen Devisenmanipulationen.

Drohen im US-Steuerstreit trotz DOJ-Programm mit den verschiedenen Kategorien noch Rückschläge?

Die Amerikaner können machen, was sie überhaupt wollen. Das ist immer wieder unterschätzt worden. Für die Schweiz ein Nachteil ist, dass etwa Nestlé und Novartis über 40 Prozent des Geschäfts in den USA machen. Die müssen schon aufpassen, was sie machen. Die Amerikaner haben kein Problem damit, zu kassieren, Lizenzen zu entziehen oder extreme Bussen zu erheben.

Ist der Zug Richtung Steuerdeklarationen auch ausserhalb Europas im Rollen?

Ich habe das Gefühl, dass es noch relativ 'sicher' in Singapur ist. Dort können die USA und die EU nicht denselben Einfluss ausüben wie in Europa. Dort stehen die Chinesen dahinter und die sind nicht daran interessiert, dass die Mittel abfliessen.

Die Vermögensverwalter sind sowieso unter Druck, wegen der Konsolidierung in der Branche. Trifft die Aussage von Vontobel-CEO Zeno Staub Ihrer Meinung nach zu, dass ein Drittel oder 100 Schweizer Banken verschwinden werden?

Die kleinen und mittleren Banken sind sowieso schon technologisch gefährdet. Technologie kostet sehr viel Geld. Ausserdem stehen sie ja auch bei den Amerikanern auf der Liste, und wenn sie eine Busse kriegen, die relativ happig ist, dann sind sie erledigt. Für die wird auch niemand einspringen. Jemand übernimmt sie dann zum 'Nulltarif'.

Könnte auch der Hypothekarmarkt ein Grund sein?

Den Kapitalpuffer für die Banken könnte man erhöhen. Die Hinterlegung von Kapital hilft den Banken, Ausfälle zu verkraften. Eine Bank, die besonders Probleme kriegen könnte, ist Raiffeisen, obwohl die sagen, dass sie alles im Griff haben. Raiffeisen hat ja bald mehr Hypotheken als die UBS. Dort muss reguliert werden. Die SNB müsste eigentlich das Geld, dass sie den Banken ausleiht, verteuern. Beim Bund sind die Hypothekarbanken sehr gut vertreten, über Politiker. Und die Politiker sorgen aber schon dafür, dass der Bund nicht zu stark zugreift.

Der SNB sind in Sachen Zinserhöhungen wegen der EZB die Hände gebunden…

Ja. International werden die niedrigen Zinsen gemacht, damit die Banken, die Probleme haben mit Schrottinvestitionen, billiges Geld bekommen. Auf längere Sicht führt das dazu, dass Probleme nicht gelöst, sondern nur verschoben werden. Es wird zu einer Blase kommen, aber die Kunst ist, zu wissen, wann sie platzt. Im Moment sieht es noch nicht so aus. Mit dem billigen Notenbankgeld kaufen die Banken griechische, italienische oder spanische Obligationen und verdienen damit viel Geld. Schauen Sie einmal, wo die Oligationenzinsen sind. Sie nähern sich ja schon bald denen der USA. Man kriegt diese Obliationen mit billigem Geld und gleichzeitig sind sie von der EU garantiert. Und sonst kaufen sie einen Kredit in Voll-Swap, also eine Absicherung. Aber das Problem kommt, wenn jene die, die diese Absicherungen verkaufen, hohe Bestände haben und mit hohen Beständen auf eine Krise zusteuern. Das wird dann wie bei Lehman Brothers.

Für Anleger bleiben dann noch Aktien?

Die Aktienmärkte stehen schon seit längerem auf einem Höchststand, und die Indikatioren zeigen, dass eine Korrektur überfällig ist. Im August ist immer eine Baisse. Nach dem Labor Day, dem ersten Montag im September, geht es in der Regel bergauf. Mitte Ende Oktober gibt es meistens eine starke Korrektur, alles Crashs liegen ja im Oktober. Sie können ja einen Chart hernehmen.

Und Obligationen?

Obligationen sind aber keine Alternativen zu Aktien. Dort erwarte am ehesten einen Crash. Wenn die Zinsen anfangen zu steigen, dann gibt es einen totalen Ausverkauf. Das ist ja auch einer der Gründe, weswegen die Zinsen nicht erhöht werden.

Schreiben Sie gerade ein neues Buch?

Nein, im Moment nicht.

Walter Wittmann (79) ist emeritierter Professor und Wirtschaftspublizist. Er ist Autor diverser Bücher, so unter anderen "Unabhängige Schweiz", "Wittmans Prophezeiungen", "Superkrise", "Wohin treibt die Schweiz?" oder "Soziale Marktwirtschaft statt Wohlfahrtsstaat".