Alle Jahre wieder nutzen die Banken und ihre Anlagestrategen die nachrichtenkarge Adventszeit, um einen Blick in die Glaskugel zu wagen. So unterschiedlich die Erwartungen an das Börsenjahr 2016 auch sein mögen, in einem Punkt sind sich die meisten Experten einig: Gerade an europäischen Aktien gibt es auch im kommenden Jahr kein Vorbeikommen.

Geradezu euphorisch liest sich etwa der Ausblick aus dem Hause Société Générale. Darin sagen uns die Autoren noch auf Jahre hinaus steigende Börsen voraus. Nach 2015 werde auch 2016 ein europäisches Aktienjahr, so schreiben sie.

Defensive Qualitäten nicht gefragt

In den Ohren hiesiger Anleger mag das wie Hohn klingen, fällt die Bilanz mit Blick auf die Schweizer börse doch ernüchternd aus. Gerade mal mit vier der zwanzig im Swiss Market Index (SMI) vertretenen Aktien liess sich im laufenden Jahr Geld verdienen.

Damit aber nicht genug: Während die für die französische Grossbank tätigen Strategen dem EuroStoxx 50 Index über die kommenden 12 Monate ein Aufwärtspotenzial von mehr als 15 Prozent zutrauen, führen sie für den SMI ein Jahresendziel von 9000 Punkte. Die im kommenden Frühjahr zur Auszahlung anstehenden Dividenden aufgerechnet, entspräche das einer vergleichsweise mageren Gesamtrendite von 6 Prozent.

Die defensiven Qualitäten des Schweizer Aktienmarktes seien derzeit nicht gefragt, lautet das Urteil. Umso mehr überrascht jedoch, dass Roche und UBS zumindest ersterer Wert auf der Liste der Schlüsselkaufempfehlungen als defensiv einzustufen ist. Bei den Verkaufsempfehlungen wird unser Heimmarkt hingegen durch Givaudan, LafargeHolcim und Zurich Insurance Group vertreten.

Zinszyklus spricht für Finanz- und Substanzwerte

Ins selbe Horn wie Société Générale stösst man auch bei Barclays Capital. Die Strategen der britischen Grossbank sehen von den steigenden Zinsen in Übersee keine unmittelbare Gefahr für die europäischen Börsen ausgehen. Zumindest was die Branchenpräferenzen der Experten betrifft, spielt die amerikanische Geldpolitik aber sehr wohl eine Rolle. Gerade den Substanzaktien sowie den Finanzwerten trauen sie in diesem Umfeld eine überdurchschnittliche Kursentwicklung zu.

Hierzulande scheint nur gerade Adecco ins Beuteschema der Briten zu passen. Im 57 Titel starken "Global Recommended Portfolio" macht die Aktie des Westschweizer Stellenvermittlers einen ziemlich verlorenen Eindruck.

Dividendenargument wird entkräftet

Überraschend vorsichtig ist der Ausblick von Exane BNP Paribas abgefasst. Wie die Verfasser darin schreiben, gewinnt die europäische Wirtschaft zwar an Fahrt. Die Kombination aus steigenden Zinsen in den USA und strukturellen Problemen in den Schwellenländern bereitet den Experten allerdings doch etwas Unbehagen.

Ihre Botschaft: Die vergleichsweise stolze Bewertung macht die Börsen rund um den Globus verletzbar. Auch das Dividendenargument lassen die Strategen nicht gelten. Die hohe Dividendenrendite sei ein Ergebnis aussergewöhnlich hoher Ausschüttungsquoten und einer unnatürlich geringen Investitionstätigkeit. Selbst in einem freundlicheren Wirtschaftsumfeld rechnen die Autoren des Ausblicks bestenfalls mit langsam steigenden Dividenden.

Erst kürzlich stufte Exane BNP Paribas den am Schweizer Aktienmarkt prominent vertretenen Gesundheitssektor von "Neutral" auf "Übergewichten" und den ebenfalls wichtigen Nahrungsmittelsektor zumindest von "Untergewichten" auf "Neutral" herauf.

Auf die Schweizer Banken ist Verlass

Aktien aus der Schweiz erscheinen weder auf der Liste der dividendenstarken Schlüsselkaufempfehlungen, noch auf jener der vielversprechendsten Kandidaten für einen Turnaround. Fündig wird man einzig bei den Aktien von Unternehmen mit einem hohen Ergebnisbeitrag aus Europa. Dazu zählen unter anderem jene von Geberit, Sika sowie Kühne+Nagel.

Eine wichtige Stimme für Schweizer Aktienempfehlungen ist auch die Bank Vontobel. Den an hohen Ausschüttungen interessierten Anlegern raten die der Aktienanalyse angeschlossenen Experten zu den Aktien von ABB, Cembra Money Bank, LEM, Roche, Swiss Life oder UBS.

Auf der offiziellen Empfehlungsliste stehen vier Standardwerte der doppelten Anzahl Nebenwerte gegenüber. Der Grund: Die Zürcher Traditionsbank traut kleinen und mittelgrossen Schweizer Unternehmen im kommenden Jahr ein deutlich höheres Gewinnwachstum zu.

So werden neben den Titeln von ABB, Geberit, Roche und UBS auch jene von ams, Belimo, Georg Fischer, Lem, Straumann, Sunrise Communications, Swiss Life sowie Temenos empfohlen.

Defensive Indexschwergewichte verpönt

Die Berufskollegen von der Zürcher Kantonalbank setzen im Hinblick auf das kommende Jahr auf die Aktien von Clariant, Novartis, Swisscom, Swiss Life und UBS. Bei den Nebenwerten werden hingegen Conzzeta, DKSH, Partners Group, Schweiter und Straumann favorisiert. Swiss Life, UBS und Schweiter gehörten schon im laufenden Jahr zu den Schlüsselkaufempfehlungen.

Bei Kepler Cheuvreux setzt sich die Favoritenliste aus den Aktien von ABB, Aryzta, Dufry, Forbo, Helvetia, Richemont und UBS zusammen. Zudem nennen die Strategen Valoren, um welche Anleger besser einen grossen Bogen machen. Dazu zählen jene von Galenica, Lindt & Sprüngli, Micronas, Arbonia, EFG International, GAM und Julius Bär.

Wenn man im Hinblick auf das kommende Jahr von einem Trend sprechen kann, dann von dem in Richtung konjunkturabhängiger Aktien und Finanzwerte. Swiss Life, UBS & Co stehen nicht nur hoch in der Gunst ausländischer Banken und ihrer Anlagestrategen. Dasselbe gilt auch bei uns in der Schweiz. Defensive Indexschwergewichte gelten hingegen als verpönt. Eine Ausnahme bleibt - wie schon in den letzten Jahren - der stets beliebte Genussschein von Roche.