Am Dienstag spielten sich für die Aktionäre von Valeant Pharmaceuticals dramatische Szenen ab. Nachdem der umstrittene kanadische Pharmahersteller überraschend einen Quartalsverlust einräumen musste und mit einem vorsichtigen Ausblick aufwartete, wurde die Aktie zuerst vorbörslich um gut 10 Prozent tiefer gehandelt.

Noch während sich die Firmenverantwortlichen an der Analystenkonferenz erklärten, rutschten die Kursnotierungen weiter ab. Denn Valeant ist sich nicht sicher, dass sie der US-Börsenaufsicht SEC den revidierten Jahresabschluss einreichen kann. Das wiederum hätte ernsthafte Folgen, die im ungünstigsten Fall sogar das Überleben des Pharmaherstellers in Frage stellen könnte.

Nach Aufnahme des regulären Handels setzte sich die Talfahrt dann ungebremst fort. Bei Börsenschluss resultierte dann sogar ein Minus von nicht weniger als 51,5 Prozent auf 33,51 Dollar. Solche Kursstürze an einem Tag haben typischweise Firmen, die um die Existenz kämpfen.

Mut der SNB wird nicht belohnt

Dem Valeant-Kursdebakel dürfte man am Dienstagnachmittag auch in den Handelsräumen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) mit einiger Unruhe zugeschaut haben. Denn die SNB gehört zu den Grossaktionären des kanadischen Unternehmens.

Gemäss einer Offenlegungsmeldung an die US-Börsenaufsicht SEC - das dortige Börsenrecht zwingt die SNB alle drei Monate zur Offenlegung der 50 grössten Titelpositionen - hielt die SNB Ende 2015 1,434 Millionen Valeant-Aktien. Im zweiten Quartal hatte sich der Bestand noch um über 160'000 Aktien erhöht, fiel im letzten Quartal dann um 7900 Aktien

Stand dieses Aktienpaket Mitte letztes Jahr noch mit knapp 260 Millionen Dollar in den Büchern, so ist sein Wert nun auf gut 48 Millionen Dollar geschmolzen - vorausgesetzt, die SNB hat seither den Bestand nicht reduziert oder die Titeln ganz verkauft. Überschlagsmässig hat das Engagement beim kanadischen Pharmahersteller unsere Notenbank seit dem letzten Sommer knapp 300 Millionen Dollar gekostet.

Kein unumstrittenes Geschäftsmodell

Ins Verhältnis zu den etwa 39 Milliarden Dollar, welche die SNB in amerikanischen Aktien hält, ist dieser Betrag zwar verschmerzbar. Dennoch weckt dieser vermutlich noch nicht realisierte Verlust Kritik an der (zu) passiven Anlagestrategie der Notenbank.

Solche Kursfluktuationen gehören für Grossinvestoren wie die SNB zum Tagesgeschäft, so sollte man meinen. Doch hätten sich die Verluste im vorliegenden Fall wohl vermeiden oder zumindest eingrenzen lassen.

Denn Valeant Pharmaceuticals ist bei weitem kein unbeschriebenes Blatt. Eigentlich ist das Geschäftsmodell der Kanadier schnell erklärt: Man kaufe gezielt kleinere Anbieter oder Rechte an Medikamenten zusammen und schraube dann kräftig die Absatzpreise nach oben.

Seit 2008 tätigte das Unternehmen nach diesem Schema ziemlich genau 140 Übernahmen im Gegenwert von mehr als 35 Milliarden Dollar, finanziert über Bankkredite und Anleihen. Das ging solange gut, bis das Unternehmen übermütig wurde und für seine Preispolitik in die Kritik geriet. Ab dann ging es nur noch bergab...

Zur Diskussion um die teils horrenden Preiserhöhungen entbrannte letzten Oktober zudem eine Kontroverse um die Buchführungspraktiken. Citron Research, ein gefürchteter Leerverkäufer, warf den Kanadiern Mitte September sogar Scheingeschäfte mit Tochtergesellschaften vor, mit welchen der Umsatz künstlich aufbläht werden sollte.

SNB in guter Gesellschaft

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die SNB-Verantwortlichen eigentlich hellhörig werden und handeln müssen. Statt dessen hatten sie kurz vorher im Laufe des dritten Quartals noch weitere Aktien zugekauft.

Auch wenn es nur ein schwacher Trost ist: Bei Valeant Pharmaceuticals gibt sich das "Wer-ist-Wer" der Finanzbranche die Ehre. Die amerikanische Grossbank J.P. Morgan Chase ist genauso am Pharmahersteller beteiligt wie die bekannte Fondsgesellschaft Fidelity.

Der bekannteste Grossaktionär ist Pershing Square. Alleine der gestrige Tag dürfte das Investmentvehikel von Bill Ackman rund eine Milliarde Dollar gekostet haben. Es überrascht deshalb nicht, dass Ackman die angeschlagene Valeant-Aktie am späten Dienstag in einem Schreiben an die Kunden verteidigte. Gleichzeitig kündigte er an, aktiver Einfluss auf das Unternehmen nehmen zu wollen.

Das ändert allerdings nichts daran, dass das auf eine aggressive Akquisitionsstrategie aufgebaute Geschäftsmodell so nicht mehr weitergeführt werden kann. Nicht zuletzt auch deshalb, weil US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton die ausufernden Medikamentenpreise zum Wahlkampfthema gemacht hat.

Was bleibt, ist ein hochverschuldeter Pharmahersteller, der vermutlich nicht mehr werthaltigen Goodwill aus früheren Übernahmen in den Büchern hat und auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell ist.