Der Traum von der ewigen Jugend ist so alt wie die Menschheit selbst. Prominente lassen sich dafür beim Schönheitschirurgen den Glanz jugendlicher Schönheit verpassen, und die Kosmetikbranche wird nicht müde, mit immer neuen Produkten den Menschen das Alter wegzuschmieren.

Doch die Fiktion nach dem ewigen jugendlichen Leben könnte schon bald Realität werden. Zumindest wenn es nach dem Altersforscher Aubrey de Grey geht. "Das Altern ist die Todesursache Nummer eins", sagt er im cash-Video-Interview. De Grey gründete vor fünf Jahren die Stiftung SENS, welche sich Strategien zur Bekämpfung des Alterns verschrieben hat.

Überwindung des Todes als Nebeneffekt

"Unsere medizinische Forschung zielt darauf ab, den Alterungsprozess unter Kontrolle zu bekommen. Es geht nicht darum, bereits bestehende Krankheiten zu heilen, sondern den Alterungsprozess zu unterbrechen, der letztendlich für die Krankheiten verantwortlich ist", sagt der in Cambridge lehrende Bioinformatiker, letzte Woche am St. Galler Symposium, bei dem sich jedes Jahr die Elite aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft trifft. Dass damit auch der Tod überwunden wird, bezeichnete Aubrey als "Nebeneffekt".

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass 90 Prozent der Todesfälle in den Industrienationen auf das Altern zurückzuführen sind. Im Alter entstehen in den Stammzellen Fehlfunktionen, die zu bösartigen und letztendlich tödlichen Tumoren mutieren. Auch Herz-Kreis-Laufkrankheiten oder Diabetes beenden das Leben früher oder später.

Vergleichbar mit einem Autoservice

Der Arzt der Zukunft werde den Menschen kontinuierlich fitspritzen mit Medikamenten, welche die Stammzellen anregen, um zum Beispiel gesunde Herzmuskelzellen zu produzieren, lautet die Vision von Aubrey. Die Anwendungen können theoretisch auf alle Organe angewendet werden. Mürbe Haut könnte auf Dauer gestrafft, schlaffe Brüste angehoben oder neblige Gehirne – Stichwort Alzheimer – geklärt werden. "Ein 100-Jähriger würde aussehen und funktionieren wie ein 25-Jähriger", so Aubrey.

So unkonventionell Aubreys Vorstellungen über das künftige menschliche Dasein sind, so speziell ist auch seine äussere Erscheinung (hier gehts zum cash-Video). Der 51-jährige Engländer trägt Zopf und einen Methusalembart von mindestens einem halben Meter Länge.

Der Forscher vergleicht den Gang zum Arzt mit der Wartung eines Autos. "Wird eine Maschine oder eben der menschliche Körper regelmässig überholt, dann läuft sie bedeutend länger, wenn nicht ewig", glaubt der promovierte Biologe, der bis 2006 als Computertechniker an der Universität in Cambridge tätig war.

Auch Google forscht

Doch Aubrey steht mit seiner Vision und seiner Forschung nicht alleine da. Mehr als 300 Theorien gibt es über das Altern, und weltweit arbeiten Hunderte Forschergruppen daran, dessen Geheimnis zu entschlüsseln. Kein Wunder: Es handelt sich hier um einen potenziellen Milliardenmarkt. So wird zum Beispiel intensiv an der Regeneration von Gliedmassen geforscht. Organe von Tieren werden entnommen und Menschen implantiert. Und jüngst gelangen Biotechnologen bedeutende Fortschritte mittels eines intelligenten Chips, der Blinde wieder sehen lässt.

Auch der Internetkonzern Google bekämpft das Altern. Eine im letzten September gegründete Tochterfirma namens Calico wird sich mit Gesundheitsfragen beschäftigen, besonders mit dem Älterwerden und den damit verbundenen Krankheiten. "Ich bin sicher, dass wir Millionen Leben verbessern können", erklärte Google-Chef Larry Page letzten September im Firmenblog.

Nur für die Reichen?

Die Konsequenzen der Überwindung des Alterns sind so weitreichend wie unabsehbar, weshalb sich auch immer mehr Denker mit den politischen, ethischen und sozialen Folgen dieser Entwicklung auseinanderzusetzen beginnen. Der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama zum Beispiel hält den Transhumanismus, zu dem auch die Abschaffung des Alterns zählt, für gefährlich: "Transhumanismus ist eine seltsame Befreiungsbewegung, die nichts weniger will, als den Menschen von seinen biologischen Beschränkungen zu befreien", schreibt er in seinem wissenschaftskritischen Buch "Das Ende des Menschen."

Nun dürfte kaum jemand etwas dagegen haben, wenn Technologie dazu eingesetzt wird, Krankheiten zu heilen. Doch die Gefahr besteht laut Fukuyama, dass Technologie, sobald sie da ist, nur von jenen, die es sich leisten können, verfügbar ist. Dies würde, so der Wissenschaftler, die Ungleichheit unter den Menschen deutlich verschärfen.

Der zurzeit älteste Mensch ist eine Frau aus Japan. Misao Okawa feierte kürzlich ihren 116. Geburtstag. Nur noch sechs Jahre, und Okawa könnte mit dem vermutlich ältesten Menschen aller Zeiten gleichziehen: Die Französin Jeanne Louise Calment starb 1997 mit 122 Jahren und 164 Tagen, die bis dato längste menschliche Lebensspanne, die zweifelsfrei verifiziert werden konnte.

Im cash-Video-Interview nimmt De Grey Stellung zu den sozialen und ökonomischen Konsequenzen seiner Forschung. Weiter äussert er sich zu Investitionsmöglichkeiten in die Anti-Aging-Branche.

Das Gespräch mit Aubrey de Grey fand im Rahmen des 44. St. Gallen Symposiums statt.