Softwareone, welche seit Oktober 2019 an der SIX kotiert ist, setzte im Jahr 2019 7,6 Milliarden Franken um und erzielte dabei einen Reingewinn von 125 Millionen Franken. Mit rund 8000 Mitarbeitern (davon rund 80 in der Konzernzentrale in Stans) sowie Vertriebs- und Dienstleistungskapazitäten in 90 Ländern bietet Softwareone Software- und Cloud-Lösungen von mehr als 7500 Herstellern an. Die Hälfte des Umsatzes erzielt Softwareone mit dem Wiederverkauf von Microsoft-Produkten. Die Angebote von Softwareone sind über eine eigenentwickelte digitale Plattform verbunden. Die Firma wurde im Jahr 2000 von Daniel von Stockar (heute Verwaltungsratspräsident) und Patrick Winter mit dem Namen "Softwarepipeline" gegründet. Massgeblich gewachsen ist Softwareone im Jahr 2019 mit der Übernahme der deutschen Comparex.

cash: Herr Schlosser, Softwareone hat den Hauptsitz in Stans, Sie leben mit ihrer Familie aber in Singapur. Wie sind Sie persönlich von den Corona-Einschränkungen betroffen?

Dieter Schlosser (am Video Call): Ich lebe seit Jahren in Singapur, meine Kinder sind hier geboren. Im letzten Jahr war ich 300 Tage unterwegs, um möglichst viele unserer 90 Standorte weltweit zu besuchen. Seit März dieses Jahres bin ich ununterbrochen in Singapur und bin gezwungen, über digitale Kanäle zu kommunizieren.

Ist Softwareone, wie viele andere Firmen im Technologiebereich, ein Gewinner der Corona-Pandemie?

Wir haben weltweit 65'000 Kunden, davon bereits 12'000 Servicekunden. Denen konnten wir in der Krisenzeit helfen, ihr Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten oder umzukonfigurieren. Das ist schon einmal ein Gewinn. Und ja, zu Beginn der Krise im März wurden viele Notkäufe getätigt punkto Fernarbeit, Internetsicherheit oder Videokonferenzen. Kleinere und mittelgrosse Firmen hielten sich nach ein paar Wochen mit Käufen dann aber zurück, weil sich zunehmend Ungewissheit über die Dauer der Pandemie breit machte. Wir konnten überdies viele Talente einstellen, weil einige Konkurrenten in Schwierigkeiten gerieten. Netto haben wir im ersten Halbjahr rund 400 Leute eingestellt.

Im zweiten Halbjahr nochmals rund 400, wie Sie in der 'Bilanz' gesagt haben. Können Sie das näher erläutern?

Viele der ungefähr 400 Leute sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingestellt worden, aber auch in Nordamerika und Lateinamerika. Damit stieg unser Mitarbeiterbestand auf über 6000. Mit der gänzlichen Übernahme der Intergrupo aus Kolumbien, die wir Anfang November kommuniziert haben, sind es mittlerweile fast 8000. Die meisten arbeiten noch immer im Home Office.

Softwareone ist weltweit grösster Wiederverkäufer von Microsoft-Produkten und macht etwas mehr als die Hälfte des Umsatzes mit Microsoft. Auf den ersten Blick ist das ein Klumpenrisiko.

Als ich 2012 bei Softwareone angefangen habe, waren es 95 Prozent Umsatzanteil. Heute sind wir als Firma geschätzt zehnmal so gross und der Microsoft-Anteil beträgt rund 54 Prozent. Meine Zielsetzung ist, dass wir immer bei etwa 50 Prozent liegen. Wir befinden uns in einer vorteilhaften Situation, wenn wir sehr nahe am grössten Technologieprovider der Welt sind. Das einzige Risiko, das ich hier sehe: Wenn Microsoft einmal aufhören sollte, gute Produkte herzustellen, Produkte, die nicht mehr den Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Wir haben als Firma mittlerweile verschiedene Standbeide, und Microsoft ist eines davon.

Bei den Halbjahreszahlen im September sagten Sie, es werde für das Gesamtjahr eine EBITDA-Marge auf Gruppenniveau in etwa auf dem Niveau der ersten Jahreshälfte erwartet. Stimmt diese Erwartung aus heutiger Sicht noch immer?

Im August und September sahen wir deutlich positive Signale im Markt, im Oktober mit Beginn der zweiten Welle in Europa sah das wieder ein wenig anders aus. Da waren unsere Geschäfte etwas gehemmter. Nach einiger Zeit hat sich dies aber wieder gelegt. Es gab also eine kurze Delle, worauf das Business aber wieder angezogen hat. Insofern sind wir auf dem Niveau der Guidance von Ende September. Was man dazu auch sagen muss: Ich bin jetzt seit 30 Jahren in der Branche und habe noch kein einziges Mal erlebt, dass die Verantwortlichen im Dezember ihr Budget nicht noch ausgegeben hätten. Wer weiss, ob dies auch in diesem Jahr der Fall sein wird.

Hauptaktionär Beat Curti gab kürzlich seinen sofortigen Austritt aus dem Softwareone-Verwaltungsrat bekannt. Es wurden keine Gründe angegeben. Können Sie das nun erläutern?

Beat Curti ist und bleibt als Mitgründer ein Rückgrat unseres Unternehmens. Er stellt an sich selber immer höchste Ansprüche. Beat Curti ist nun 83 Jahre alt, er gehört damit auch zur Corona-Risikogruppe. Beat hat sich dann gesagt: Wenn ich nicht mehr zu 120 Prozent im Verwaltungsrat mitwirken kann, dann muss ich Konsequenzen ziehen und aus diesem Gremium zurücktreten.

Es kamen Spekulationen im Markt auf, dass Curti seinen Anteil von 10 Prozent nun sukzessive reduzieren würde.

Ausser einem kleinen Anteilsverkauf vor ein paar Monaten hat Beat Curti keine Aktien veräussert, nicht einmal während des Börsengangs im letzten Jahr. Ich kann natürlich hier nicht für ihn sprechen, aber ich bin mit Beat Curti sehr intensiv in Kontakt. Er fühlt sich langfristig sehr verpflichtet gegenüber Softwareone. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass er langfristig seinen Anteil vielleicht etwas senkt. Aber er wird mit Herz, Seele und einem Anteil bei Softwareone bleiben.

Softwareone will bis zu zwei neue VR-Mitglieder nominieren. Wie weit sind Sie in diesem Prozess?

Wir sind da sehr gut vorangeschritten. Als mittlerweile börsenkotiertes Unternehmen mit gutem Image haben sehr viel Interesse geweckt. Ich habe auch schon mit Kandidaten gesprochen.

Die Nominationen wurden im Hinblick auf die nächste Generalversammlung am 20. Mai in Aussicht gestellt. Gilt dieser Zeitplan noch?

Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Nomination bis spätestens zu diesem Zeitpunkt einhalten können.

Es ist nichts Ausserordentliches, dass sich Altaktionäre nach einem IPO verabschieden. Bei Softwareone geschah das in den letzten sieben Monaten aber mit hoher Kadenz. Raiffeisen Informatik, KKR und die Erben des verunglückten Mitgründers Patrik Winter schlugen allein über zehn Prozent des Aktienkapitals los, es gab Kritik wegen Aufhebung von Lock-up-Fristen durch Banken. Hat Softwareone damit einen Reputationsschaden erlitten?

KKR war fünf Jahre investiert, das liegt absolut im Schnitt für einen Private-Equity-Investor. Die Verkäufe durch Raiffeisen Informatik und der Erben von Patrick Winter kamen auch nicht überraschend. Für einige Retail-Investoren kamen die Verkäufe wohl ein bisschen zu schnell hintereinander. Wir haben sicher keinen Imageschaden erlitten. Das sieht man auch anhand Analysten-Schätzungen, die wir kürzlich veröffentlicht haben. Neun von elf Analysten empfehlen Softwareone zum Kauf, und durchschnittlich prognostizieren sie einen Aktienkurs von etwas unter 29 Franken pro Aktie.

(weiter unten nach dem Kurschart)

Entwicklung des Softwareone-Aktienkurses seit dem Börsengang im Oktober 2019 (Quelle: cash)

Es stellt sich aber bei derartigen Verkäufen die Frage, ob die Aktie nicht höher stünde als heute.

Das ist natürlich Spekulation. Ich denke, die SAP hat uns mehr geschadet als diese Verkäufe…(schmunzelt)

Sie sprechen die schwachen Zahlen zum dritten Quartal und die gekappten Prognosen an, die der deutsche Softwarekonzern vor einem Monat bekannt gab. Wurden Sie da zu Unrecht in Sippenhaft genommen?

Ja, die ganze Technologiebranche wurde nach unten gezogen. Wir sind ja gar kein Reseller von SAP. Das Geld am Markt hat sich zudem in den letzten Wochen mit den US-Wahlen und der Bekanntgabe von wirksamen Impfstoffen sowieso ein wenig weg von der Tech-Branche entfernt und ist wieder in klassische Werte geflossen.

Vor dem IPO haben Sie mit Comparex eine Grossübernahme getätigt, welche die Mitarbeiterzahl verdoppelt hatte. Nun kommt mit Intergrupo eine Firma mit nochmals 1400 Angestellten dazu. Haben Sie nicht Angst, dass Softwareone zu schnell wächst?

Wir haben bislang elf Übernahmen getätigt, davon waren zwei grösseren Umfangs, Sie haben die Namen genannt. Aber sehen Sie: Comparex hat das gleiche Geschäftsmodell und die gleichen Themen wie wir, Intergrupo mag sich mit 1400 Mitarbeitern auch gross anhören. Ist es aber nicht, wenn man bedenkt, dass die Firma im Feld der Applikations-Modernisierung tätig ist, im dem wir für die nächsten zehn bis 15 Jahre hohes Wachstum sehen. Grosse Risiken wollen wir bei Übernahmen stets vermeiden.

Wie sieht die künftige Übernahmestrategie aus?

Mit Comparex haben wir nun einen Entwurf geschaffen, wie man eine Übernahme in dieser Grössenordnung erfolgreich tätigen kann. Und wir haben immer gesagt: Wenn wir mit Comparex quasi 'durch' sind, tätigen wir wieder eine Übernahme in grösserem Umfang. Wir wären also bereit, dies zu tun, und es gibt in unserem Umfeld etwa fünf bis sieben Kandidaten dafür. Es wird sich zeigen im nächsten Jahr, ob der eine oder andere Kandidat mit uns zusammenkommen will und mit unseren Bedingungen einverstanden ist. Diese Konsolidierung ist für uns aber kein Muss. Daneben gibt es die Strategie der einfach integrierbaren Übernahmen. Das sind Firmen in der Grössenordnung zwischen 20 und 150 Mitarbeitern. Da gehen wir sehr fokussiert und stringent vor.

Ein Analyst sieht für Aktionäre das Risiko einer Kapitalerhöhung bei Softwareone. Was sagen Sie dazu?

Ich nehme an, der Analyst meint in diesem Zusammenhang eine mögliche Akquisition, welche unsere Bilanz finanziell überfordern würde. Übernahmen haben wir bislang immer mit unseren Cash-Positionen finanziert. Ein Risiko, wie Sie es sagen, ist in dieser Hinsicht derzeit nicht gegeben. Und schauen Sie: Die Geschäftsleitung von Softwareone ist selber stark investiert in die Firma. Ich selber habe nach Ablauf der Haltefristen nach dem IPO vor wenigen Wochen keine meiner Softwareone-Aktien verkauft. Es ist eine langfristige Verpflichtung. Es ist unser Baby, wir haben das aufgebaut. Und wir sind ja quasi ein Technologiegigant, der aus der Schweiz heraus tätig ist. Wir würden nichts tun, was den Aktienkurs mal positiv beeinflussen könnte, und wir sind keine quartalsgetriebene Gesellschaft. Wir wollen den Mehrwert für die Stakeholder langfristig erhöhen.

Der deutsche Staatsbürger Dieter Schlosser ist seit Januar 2019 CEO von Softwareone. Er stiess im Jahr 2012 als Chief Operating Officer zum Unternehmen. Zuvor hielt er Positionen in IT-Abteilungen von grösseren Unternehmen in den Sektoren Öl/Gas, Minen, Pharma und Automobil.