Donnerstagmorgen, 15. Januar 2015. Was zunächst wie ein üblicher Januartag beginnt, erfährt um 10.30 Uhr eine völlig unerwartete Wende: In einem simplen Communiqué verkündet die Schweizerische Nationalbank, dass der Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro per sofort aufgehoben wird. Die Reaktion auf diese Hauruck-Massnahme fiel heftig aus: Der Euro fiel auf unter 85 Rappen.

Exakt ein Jahr später, am 15. Januar 2016, ist der Franken nach einer langsamen Abwertung nun bei fast 1,10 pro Euro angelangt. Das ist zwar eine leichte Erholung, aber noch immer weit unter dem von vielen genannten fairen Wert von 1,30, welcher - so die Theorie - für die Entwicklung der Wirtschaft am idealsten wäre. 

Der starke Franken zeigt seine (negative) Wirkung: Es kam und kommt noch immer zu zahlreichen Verlagerungen von Produktionsstätten ins Ausland, da dort billiger produziert werden kann. "Die Deindustrialisierung der Schweiz ist leider eine traurige Tatsache", sagt Thomas Della Casa, Anlagechef der Neuen Helvetischen Bank, im cash-Börsen-Talk. Jedoch sei dies kein neues Phänomen, sondern habe schon vor 30 Jahren begonnen.

Langsame Abschwächung des Schweizer Frankens

Dass sich jedoch die traditionelle Fluchtwährung Franken in den letzten Monaten nicht wieder aufgewertet, sondern kontinuierlich abgeschwächt hat, ist ziemlich erstaunlich angesichts der weltweit unstabilen geopolitischen und ökonomischen Verhältnisse.

"Die Negativzinspolitik der Nationalbank zeigt Wirkung", meint Della Casa dazu, weil sie eine Schwächung des Frankens bewirkten. "Die SNB ist also auf dem richtigen Weg, bürdet der Volkswirtschaft, den Sparern und den Pensionskassen jedoch hohe Kosten auf."

Andere Börsenbeobachter gehen jedoch davon aus, dass nicht der Negativzins, sondern vielmehr die Europäische Zentralbank mit dem Verzicht auf eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik der SNB geholfen hat und abwertend auf den Franken wirkt. Dies gilt auch für die Zinserhöhung in den USA, die damit den Dollar wieder attraktiver macht - auch als Fluchtwährung.

Della Casa rechnet mit einem Euro-Franken-Kurs von 1,15 Ende 2016. Das wäre zwar eine weitere Abschwächung zu heute, "wird aber keinen grossen Einfluss auf die Schweizer Wirtschaft haben, da viele Schweizer Firmen bereits bei 1,20 unter Druck kamen". Eine Erholung für die Exportindustrie und den Tourismus - zwei Branchen, die die Frankenstärke besonders spüren - ist also weiterhin nicht in Sicht.

Vom Bullen- zum Bärenmarkt?

Die britische Royal Bank of Scotland (RBS) sorgte diese Woche für Aufsehen, als sie ihren Kunden riet, alle Wertpapiere ausser guten Obligationen zu verkaufen (cash berichtete). 2016 werde zum Katastrophenjahr an den Finanzmärkten, glaubt die Schottische Traditionsbank, da sie zurzeit an den Finanzmärkten vergleichbare Entwicklungen sieht, wie kurz vor dem Lehman-Brothers-Desaster im September 2008.

Kommt nach sieben "fetten" Bullenjahren, die wir seit März 2009 erlebt haben, nun die Zeit des Bärenmärktes mit einem längeren Abwärtszug an der Börse? Della Casa glaubt nicht so recht an ein solches Szenario: "Ein Bärenmärkt ist nicht sehr wahrscheinlich". Ein solcher sei nur denkbar, wenn die Wirtschaft in eine Rezession schlittern würde, was sich aber für 2016 nicht abzeichne. 

Viel traut der Anlagechef dem SMI in diesem Jahr aber trotzdem nicht zu. Die Gewinndynamik sei nicht sehr gross, ausserdem seien die Aktien bereits stattlich bewertet. "Das Potential liegt zwischen 3 bis 5 Prozent vom jetzigen Niveau". Hochgerechnet käme der SMI so Ende Jahr auf maximal 8700 Punkte - und läge damit noch immer weit von den Höchstständen vom Sommer 2015 von über 9500 Punkten entfernt.

Eine Zeit für defensive Titel

Wie so oft in volatilen Zeiten, stehen auch jetzt die klassischen defensiven Sektoren hoch im Kurs. So setzt Della Casa auf Firmen "mit einem sehr guten Geschäftsmodell, stetiger Cash-Flow-Generierung und guten Ausschüttungen". In erster Linie seien dies Konsumgüterhersteller. Es sei derzeit noch zu früh, sich in den klassischen zyklischen Sektoren zu exponieren.

Aber auch ein Sanitärtechnikunternehmen steht bei Della Casa hoch im Kurs: "Geberit ist eine Firma, die in den letzten Jahren Wachstum generierte, und dies auch in Zukunft weiter tun kann". Nach der Integration von Sanitec seien die weiteren Aussichten dieser Aktie sehr gut. Gerade erst am Mittwoch publizierte Geberit die Umssatzzahlen von 2015 und überzeugte die Investoren vollends.

Schlussendlich stellt sich aber die Frage, inwieweit der Schweizer Aktienmarkt im Vergleich zu anderen Ländern überhaupt noch attraktiv ist. Della Casa hat hier jedenfalls einen anderen Favoriten: "Ich gebe europäischen Aktien den Vorzug, da in Europa das Momentum bezüglich wirtschaftlicher Erholung besser und sichtbarer ist", so Della Casa. Auch im Vergleich mit den USA seien Europas Aktien derzeit spannender.

Im cash-Börsen-Talk sagt Thomas Della Casa ausserdem, welche Anlageklassen über die Aktien hinaus noch interessant sein könnten - und welche nicht.