"Mit einem solch miserablen Jahresstart hat niemand gerechnet." So kommentiert Research-Analyst Heinz Rüttimann von der Bank Julius Bär die ersten sechs Wochen des laufenden Börsenjahres 2016 in der Schweiz. Besonders irritierend sei die relative Schwäche des Swiss Marktet Index (SMI) im Vergleich zu anderen internationalen Indizes wie dem amerikanischen S&P 500. Gilt doch der Schweizer Aktienmarkt traditionell als defensiv, also als resistenter gegenüber heftigen Schwankungen.

In der Tat steht die US-Börse im laufenden Jahr "nur" 10 Prozent im Minus, während der SMI rund 15 Prozent verliert. "Momentan wird alles auf den Markt geworfen", sagt Rüttimann im Börsen-Talk. Der Markt versuche, sich zu finden und sich auf einen neuen Preis zu einigen. Das mache eine Prognose für die Zukunft sehr schwierig.

Aktienempfehlung für Mutige

Besonders grossen Druck auf den SMI übten bislang die Titel der Grossbanken Credit Suisse und UBS aus. Sie stehen fast schon unglaubliche 43 respektive 28 Prozent tiefer als zu Beginn des Jahres. Hintergrund der anhaltenden Bankenbaisse sind Sorgen über ertragslose Kredite, Aussichten auf eine längere Periode mit niedrigen Renditen sowie negative Meldungen zum Zustand der Weltkonjunktur.

Dennoch sieht Analyst Rüttimann keine neue Finanzkrise aufziehen. Er erkennt zwar ein schwieriges Umfeld, sieht für Investoren aber auch Chancen. So steht bei ihm derzeit die UBS-Aktie auf dem Kaufzettel. Die grösste Schweizer Bank weist aktuell ein Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von weniger als eins auf, was eine äusserst günstige Bewertung ist. "Bei solchen Titeln muss man sich fragen, ob der Ausverkauf gerechtfertigt ist", so der Aktien-Experte. Für ganz mutige Anleger empfiehlt Rüttimann noch die Aktien von LafargeHolcim. Der Zementriese ist auf 34 Franken zurückgefallen, ein Niveau, das zuletzt 2009 mitten in der Kreditkrise erreicht wurde.

Schwellenländer vor schwierigen Monaten

Häufig genannter Grund für den aktuellen Börsensturm sind von China und anderen Schwellenländern ausgehende Ängste um die Zukunft der Weltwirtschaft. Auch Janet Yellen, Chefin der US-Notenbank Fed, verwies am Mittwoch in einer Rede auf die globalen Gefahren durch die Konjunkturabkühlung in China.

"Was in China passiert, hat Auswirkungen auf den Rest der Welt", sagt Rüttimann, der bei Julius Bär für Schwellenländer-Analyse zuständig ist. Regulatorische Eingriffe hätten jüngst den chinesischen Aktenmarkt stark verunsichert und zu einem Ausverkauf geführt.

Zudem gibt es viele Unsicherheiten rund um Chinas Gesundheitszustand. So steckt beispielsweise im Bankensektor viel Ungewissheit. In der jüngsten Vergangenheit habe China das gesamte Kreditvolumen massiv ausgeweitet, so Rüttimann. Das müsse nun abgebaut werden und belaste das ganze Wirtschaftssystem. Zwei chinesische Aktiensektoren hebt er dennoch als interessant hervor: Gesundheit und Technologie. Im Technologiesektor gehören die Suchmaschine Baidu und der Online-Dienstleister Tencent zu Rüttimanns Favoriten.

Während der MSCI Emerging Markets Index seit Anfang Januar 8 Prozent verloren hat, gibt es auch Schwellenländer, die sich diesem Negativtrend entziehen Konten. Dazu gehören Chile, Kolumbien, Indonesien oder Malaysia. Damit aber der gesamte Sektor wieder ansteigt, braucht es laut Rüttimann einiges: Zunächst einen schwächeren Dollar und höhere Preise für Erdöl oder Gas. "Aber auch positive Schlagzeilen über das Wirtschaftswachstum in den grössten Schwellenländern China, Korea oder Taiwan. In den nächsten Monaten wird das aber nicht der Fall sein."

Im cash-Börsen-Talk äussert sich Heinz Rüttimann auch zu den Perspektiven Brasiliens und zur Möglichkeit weiterer chinesischen Übernahmen in der Schweiz.