Am Mittwochmorgen um exakt 09:08 Uhr erreichte das Tauschverhältnis für den Euro zum Franken 1,1982 Franken. Damit ist das Währungspaar so nahe an der 1,20-Marke wie seit der Auflösung der Mindestkursgrenze am 15. Januar 2015 nicht mehr. Aktuell steht der Kurs bei 1,1966.

Seit Sommer 2017 ist eine im Vergleich zu den Vormonaten deutliche und kontinuierliche Frankenabschwächung zu beobachten. In den letzten 52 Wochen hat der Franken zum Euro um 12 Prozent nachgegeben, in diesem Jahr sind es 2,3 Prozent. Doch alleine in den letzten zwei Wochen erfolgte ein Sprung von 1,175 auf beinahe 1,20.

Kursentwicklung Euro-Franken in den letzten 52 Wochen, Quelle: cash.ch

Wieso diese jüngste Abschwächung? "Wenn die Abwertung erst einmal beginnt, geht es meistens relativ schnell", sagt Tim Sprissler, Devisenexperte der Credit Suisse, auf cash-Anfrage. Bereits letzten Sommer habe man einen ähnlichen Sprung erlebt, damals ging es von 1,10 auf 1,15. Aus charttechnischer Sicht habe sich der Wechselkurs seit Überspringen der 1,18-Marke mit keiner grösseren Hürde mehr konfrontiert gesehen. "Die nächste psychologisch wichtige Marke scheint 1,20 zu sein."

Aus fundamentaler Sicht sieht Sprissler die derzeitige Frankenschwäche als Teil der Abwertungstendenzen seit Anfang März. "Die Eurozone ist nach wie vor gesund, trotz Abschwächung des Momentums auf einem hohen Niveau", so der Währungsstratege. Gleichzeitig seien die Risiken in der Eurozone, zum Beispiel in Italien, lokal begrenzt.

Als weitere Gründe für die Frankenschwäche bringen Marktbeobachter etwa die US-Sanktionen gegen Russland ins Spiel: Russische Oligarchen könnten ihre Franken-Positionen abbauen und Bargeld aus der Schweiz abziehen. Auch das glaubwürdige Festhalten von SNB-Präsident Thomas Jordan am Negativzins von 0,75 Prozent bei gleichzeitigen Zinserhöhungen in anderen Ländern macht Schweizer Anlagen unattraktiver.

Die 1,20-Hürde könnte nun zur grossen, aber nicht unbrechbaren Knacknuss für das Währungspaar werden:  Wenn sich der konjunkturelle Dämpfer in der Eurozone als nur vorübergehend erweist und die Europäische Zentralbank ihr Anleihenkaufprogramm per Ende September 2018 beenden wird, dann dürfte gemäss Sprissler der Euro-Franken-Kurs die 1,20-Marke auch mittelfristig übersteigen.

Viele Unsicherheiten im Markt

Jüngst lieferte die Eurozone erste Enttäuschungen bei den Konjunkturdaten: Die Wirtschaftsstimmung im Euroraum trübte sich im März 2018 bereits den dritten Monat in Folge ein. Das Wirtschaftswachstum war so langsam wie seit Anfang 2017 nicht mehr.  Im vergangenen Jahr war die starke Konjunktur in der Eurozone ein wichtiger Treiber des Euros, die Wachstumszahlen überraschten schon in fast regelmässigen Abständen positiv.

Doch nicht nur diese Wachstumsdelle bereitet Anlegern sorgen, auch das unsichere Umfeld mit dem Handelsstreit zwischen den USA und China sowie der Militärschlag in Syrien drückt auf die Stimmung. Das alles spräche eigentlich theoretisch für einen steigenden Franken, doch stattdessen erstarkt der Euro weiter. 

"Wir sehen den Euro-Franken-Kurs derzeit abgekoppelt von Risikoereignissen, solange der Ausblick für die Eurozone freundlich bleibt. Wenn es noch einen sicheren Hafen gibt, dann ist es der japanische Yen", fügt Sprissler an.