Das Jahr 2016 startete mit grossen Verlusten an den Aktienmärkten weltweit. Auch wenn sich langsam ein Boden zu bilden scheint, ist die Performance des Swiss Market Index (SMI) in diesem Jahr mit minus 11 Prozent noch immer tiefrot. Potentielle Sündenböcke für diese Börsenflaute gibt es viele: Die Entwicklung in China, die Europäische Zentralbank (EZB), die amerikanische Notenbank (Fed) oder der tiefe Fall der Rohstoffpreise, um nur einige davon zu nennen.

"Schuldige für die Baisse zu suchen ist ein Fehler", meint aber Dan Kemp, Anlagechef für Europa, den mittleren Osten und Afrika bei Morningstar im Video-Interview mit cash. "Denn die EZB, das Fed und China sind hauptsächlich nur Lärm, der die Anleger vom Wesentlichen ablenkt." Investoren versuchten eine Story zu finden, die zu den gegebenen Fakten passe.

Aber eigentlich muss man gemäss Kemp auf die Fundamentalbewertungen der verschiedenen Vermögenswerte schauen. Viele Assets waren Anfang Jahr überbewertet und sind nun etwas günstiger geworden. Schlussendlich hat also eine normale Marktzyklizität stattgefunden, in der Aktien wieder auf ein normales Preisniveau gefallen sind. Und da nun Aktien und andere Anlageklassen inzwischen tiefer bewertet sind, "steigen auch Leute ein, die eine Zeit lang nur auf der Seitenlinie standen", so Kemp.

Dass Aktien nach den Turbulenzen Anfang Jahr inzwischen wieder an Attraktivität gewonnen haben, zeigt die Kursentwicklung verschiedener Indizes in den letzten vier Wochen: Der Nikkei und der Dow Jones legten je 6 Prozent zu, Der DAX 4 Prozent und der FTSE 100 immerhin um knappe 3 Prozent. Nur der SMI hinkt mit minus 2 Prozent deutlich hinterher.

Langfristig denken, unbeliebte Sektoren wählen

Kemp ist der Meinung, dass viele Anleger ihre Investitions-Strategie zu stark auf die Massnahmen der EZB und anderer Notenbanken ausrichten. Wer dies tut, solle sich "unbedingt eine neue Strategie zulegen." Eingriffe der Zentralbanken gäben der Börse zwar einen kurzfristigen Antrieb, spielten aber für langfristige Anlagestrategien - wenn überhaupt - nur eine marginale Rolle.

Die EZB hatte am 10. März eine erneute Geldpolitische Lockerung angekündigt, während die Schweizerische Nationalbank und die Amerikanische Fed vorerst an ihren bisherigen Massnahmen festhalten. Von der SNB sind in nächster Zeit auch keine weiteren Impulse zu erwarten, Fed-Chefin Janet Yellen könnte jedoch je nach konjunktureller Entwicklung bereits im April einen weiteren Anstieg des US-Zinsniveaus beschliessen.

Aber wenn die Politik der Notenbanken nur Nebengeräusche sind, bleibt die Frage offen, wie denn nun eine kluge, langfristige Anlagestrategie aussieht? "Langfristige Chancen ergeben sich in ungeliebten Marktbereichen", sagt Anlagechef Kemp. Sein Team suche immer nach nonkonformistischen Investitionsmöglichkeiten, da diese durch eine tiefe Bewertung bessere Gewinnerwartungen hätten. Diese Anlagestrategie wird in der Fachsprache auch Contrarian-Ansatz genannt.

Im Moment setzt Kemp auf Aktien und Obligationen aus Schwellenländern, zyklische Konsum-Aktien aus Japan und neuerdings wieder auf Hochzinsanleihen. Alles eher risikoreiche Anlagen, auf die sich Investoren im Moment nicht gerade stürzen.

Im cash-Video-Interview sagt Dan Kemp ausserdem, wie sich die Märkte im mittleren Osten und in Afrika entwickeln.

Das Gespräch mit Dan Kemp fand an der Morningstar Institutional Conference in Amsterdam statt. cash war an diesem Anlass Medienpartner.