Die Europäische Zentralbank erwägt zwar den Ankauf von Staatsanleihen, wie EZB-Chef Mario Draghi am Donnerstag sagte. Klare Signale für eine geldpolitische Lockerung gab er jedoch nicht, was an der Börse für Enttäuschung sorgte. Zugleich blickt die EZB mit Sorge auf die Krisen in der Ukraine, Nahost und in Syrien: "Die geopolitische Risiken sind höher als noch vor einigen Monaten". Die Währungshüter fürchten bei einer Verschärfung der Konflikte ein Abflauen der ohnehin schwächelnden Konjunktur in den nächsten Monaten.

Die EZB will auf jeden Fall verhindern, dass eine deflationäre Spirale aus sinkenden Preisen und Löhnen den Aufschwung abwürgt. Mit einem massiven Ankaufprogramm von Staatsanleihen und privaten Schuldtiteln würde die EZB auf den Spuren der amerikanischen, japanischen und britischen Notenbanken wandeln, die damit ihre Konjunktur nach der weltweiten Finanzkrise wieder flottgemacht hatten. Die EZB setzt aber noch darauf, dass sich die niedrige Teuerungsrate in der Euro-Zone von derzeit 0,4 Prozent bis Ende 2016 dem Ziel der Währungshüter von knapp 2 Prozent zumindest annähern wird. Sollte sich diese Einschätzung ändern, will die EZB unkonventionelle Massnahmen ergreifen, die im Fachjargon als Quantitative Easing (QE) bezeichnet werden: "Wir sind bereit, QE einzusetzen, wenn es nötig wird", sagte Draghi.

Der Italiener will zunächst abwarten, wie sich die Geldspritzen für die Banken auf die Wirtschaft und damit auch auf das Preisniveau der Währungsunion auswirken. Die EZB hatte auf ihrer Juni-Sitzung beschlossen, Banken langfristig mit Liquidität zu versorgen. Die Institute sollen aber nur dann frisches Geld erhalten, wenn sie überdurchschnittlich viele Kredite vergeben. Draghi will mit diesem Geschütz - salopp auch "dicke Bertha" genannten - bis zu eine Billion Euro in die Wirtschaft katapultieren. Die Mittel sollen für mehr Investitionen, Konsum und letztlich auch für höhere Preise sorgen. Im Herbst sollen die ersten dreistelligen Milliardensummen fliessen. Draghi rechnet damit, das zunächst 450 bis 850 Milliarden Euro abgerufen werden.

Draghi enttäuscht die Anleger an den Börsen

"Draghi hat bislang aber kein Signal für eine weitere geldpolitische Lockerung gegeben. Natürlich lässt sich die Zentralbank alle Türen offen", sagte Ökonom Ulrich Wortberg von der Helaba. Händlern zufolge hatten Anleger darauf gehofft, dass die Spitze der Zentralbank zumindest ein vorsichtiges Signal für eine Lockerung geben könnte. Der EZB-Chef sagte aber lediglich, er werde die Auswirkungen der geopolitischen Spannungen und auch die Wechselkurse genau im Auge behalten.

Auf der Ratssitzung am Donnerstag beliessen die Hüter des Euro den Zinssatz wie erwartet auf dem Rekordtief von 0,15 Prozent. Trotz des extrem billigen Zentralbankgeldes stockt der Kreditfluss. Nach Einschätzung Draghis wird sich daran auch vorerst nichts ändern. Er erwartet eine holprige Erholung. Die Preise dürften zudem nur schrittweise steigen.

Darüber hinaus ist die EZB daran interessiert, den Verbriefungsmarkt wieder in Gang zu bringen. Die EZB habe die Vorbereitungen intensiviert, betonte Draghi. Doch sei damit noch kein Start von QE verbunden. Die Zentralbank versucht schon seit geraumer Zeit, Verbriefungen und dabei vor allem sogenannte ABS-Papiere (Asset Backed Securities oder forderungsbesicherte Wertpapiere) wieder salonfähig zu machen. Sie waren wegen ihrer undurchsichtigen Struktur in Verruf geraten und galten als Brandbeschleuniger der Finanzkrise von 2007/08. Mit ABS-Papieren können Banken Kredite zu Paketen bündeln und an den Finanzmarkt bringen.

(Reuters)