Die Europäische Zentralbank (EZB) richtet ihren Instrumentenkasten neu aus, mit dem sie die kurzfristigen Zinsen am Finanzmarkt steuert und die Banken mit Liquidität versorgt. Die Schlüsselzinsen, insbesondere der Einlagesatz, sollen weiter die zentralen Instrumente bleiben, mit denen die Notenbank ihre Geldpolitik über die Banken in die Wirtschaft hineinträgt. Zudem soll der Hauptrefinanzierungssatz wieder eine wichtigere Rolle bei der Liquiditätsversorgung der Banken spielen. Darüber hinaus plant die EZB aber auch Anleihenkäufe und längerfristige Kreditsalven als Mittel zur Liquiditätssteuerung. Es folgt ein Überblick über die Gründe für die Überarbeitung und eine Übersicht über die Neuerungen:

Warum die Überprüfung?

In den Jahren der ultralockeren Geldpolitik hatte die EZB ab 2015 zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Anfeuerung einer Inflation, die um die Nulllinie lag, die Finanzwirtschaft über billionenschwere Staats- und Firmenanleihekäufe sowie mit supergünstigen langjährigen Kreditsalven (TLTRO) mit Liquidität überflutet. Als Hinterlassenschaft dieser Ära ist das Bankensystem immer noch mit einer Überschussliquidität von etwa 3,5 Billionen Euro ausgestattet. Anleihenkäufe und die Langfristkredite haben die EZB-Bilanz erheblich anschwellen lassen. Doch die Zeit der Nullinflation ist inzwischen vorbei und die Zentralbank-Bilanz wird in den kommenden Jahren schrumpfen, die Überschussliquidität im Bankensystem abnehmen. Deshalb mussten die Währungshüter ihre geldpolitische Steuerung an die neuen Realitäten anpassen.

Was ist problematisch an der aktuellen Situation?

Die EZB hat die Zinsen im Kampf gegen die Inflation im Eiltempo seit Sommer 2022 zehnmal in Serie angehoben. Der Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, liegt aktuell auf dem Rekordniveau von 4,0 Prozent. Dies bedeutet, dass die EZB den Banken angesichts der hohen Überschussliquidität viele Milliarden an Zinsen zahlen muss, da die Institute überschüssige Gelder in grossem Umfang bei der Notenbank parken. Der Interbankenmarkt, auf dem sich Finanzinstitute untereinander Geld leihen, ist nach den vielen Jahren der ultralockeren Geldpolitik nicht wieder richtig in Gang gekommen.

Was ändert sich?

Die beschlossenen Änderungen bedeuten, dass die EZB künftig die kurzfristigen Marktzinsen über ein nachfragegetriebenes Floor-System steuern wird. Dabei müssen Banken der Zentralbank mitteilen, wie viel Liquidität sie sich von den Währungshütern ausleihen wollen. Der Einlagensatz wird der zentrale geldpolitische Zins bleiben. Denn er setzt die Zinsuntergrenze am Geldmarkt - den niedrigsten Zins, zu dem sich Banken untereinander Geld ausleihen. Der Hauptrefinanzierungssatz, den Banken der EZB für die Bereitstellung von Liquidität zahlen müssen, soll das wichtigste Steuerungsinstrument für die Liquiditätsbereitstellung über die Notenbank sein. Das neue System enthält aber angebotsgesteuerte Elemente, wie etwa ein strukturelles Anleihenportfolio und auch längerfristige grosse Kreditsalven für Banken.

Zinsdifferenz soll kleiner werden

Die EZB will die Zinsdifferenz zwischen dem Einlagensatz, der aktuell bei 4,0 Prozent liegt, und dem Hauptrefinanzierungssatz, der aktuell 4,5 Prozent beträgt, verringern. Dazu soll der Hauptrefinanzierungssatz etwas gesenkt werden, damit die Differenz künftig nur noch 0,15 Prozentpunkte statt bisher 0,50 Prozentpunkte betragen wird. Die EZB will dadurch Anreize schaffen, an ihren wöchentlichen Kreditgeschäften teilzunehmen. Die Zinsdifferenz zwischen dem Spitzenrefinanzierungssatz für Übernachtkredite und dem Hauptrefinanzierungssatz soll bei 0,25 Prozentpunkten bleiben. Die entsprechenden technischen Anpassungen sollen am 18. September wirksam werden.

Und Anleihenkäufe?

Einen Teil der Liquiditätsversorgung von Banken will die EZB künftig über ein strukturelles Anleihenportfolio steuern. Unklar blieb aber zunächst, wie umfangreich dieses künftig sein soll. Auch längerfristige Kreditsalven sollen ein Element der Liquidiätsbereitstellung sein. Nähere Einzelheiten teilte die EZB dazu zunächst nicht mit. Auch liess sie offen, welchen optimalen Umfang ihre Notenbankbilanz künftig haben sollte. Einen beschleunigten Bilanzabbau, indem sie erworbene Anleihen aktiv verkauft, plant sie derzeit nicht. Die EZB will ihren überarbeiteten Instrumentenkasten 2026 überprüfen. 

(Reuters)