Damit hatte kaum jemand gerechnet. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte am Donnerstag überraschend ihren Leitzins um 0,1 Prozent auf das neue Rekordtief von 0,05 Prozent. Zudem gab EZB-Chef Mario Draghi weitere Schritte zur Bekämpfung von Wachstumsschwäche und Niedriginflation bekannt.

Der Swiss Market Index (SMI) liess sich nach der EZB-Überraschung am Donnerstagnachmittag kurzfristig in die Höhe reissen und erreichte erneut ein Jahreshoch. Die Folgen der EZB-Schritte für die Schweizer Börse schätzt Thomas Della Casa im cash-Börsen-Talk jedoch als relativ gering ein. "Das ändert wenig am Gesamtbild. Wir werden ein ähnliches Umfeld haben wie bis anhin", sagt der Anlagechef der Neuen Helvetischen Bank.

Der Grund für die Attraktivität von Aktien sei die relative Unterbewertung von Aktien gegenüber Bonds, so Della Casa weiter. Investments in Anleihen seien ein "Trauerspiel", weil man für gewisse Schweizer Staatsobligationen sogar draufzahlen müsse. "Der Boden ist gesetzt für einen guten Aktienmarkt." Laut Della Casa dürfte der SMI sein aktuelles Niveau von gut 8800 Punkten bis Ende Jahr halten, wenn nicht sogar noch etwas ansteigen.

Für die Schweizerische Nationalbank (SNB) bedeutet die EZB-Ankündigung, dass sie weiterhin mit einem schwachen Euro rechnen muss. "Die SNB muss bereit sein, bei 1,2025 oder 1,2030 zu intervenieren", sagt Della Casa. Der Mindestkurs sei absolut zentral, hatte SNB-Chef Thomas Jordan erst am Wochenende bekräftigt. Am Donnerstag sank der Euro zwischenzeitlich unter 1,2050 Franken.

Hohe Erwartungen an ABB

SMI und Franken legen zu, obwohl sich das wirtschaftliche Umfeld in der Schweiz eingetrübt hat. Im zweiten Quartal des Jahres ist das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal nicht gewachsen, was zahlreiche Ökonomen dazu veranlasste, ihre Jahresprognosen zu senken.

Auf Titelebene steht derzeit ABB bei vielen Anlegern im Fokus. Das Industrieunternehmen mit Sitz in Zürich hält am kommenden Dienstag einen Investorentag ab. "Die Erwartungen sind relativ hoch", sagt Della Casa. Insbesondere beim Transmissionsgeschäft hofft er endlich auf ein Licht am Ende des Tunnels.

Die ABB-Aktie hat mehreren Ergebnisenttäuschungen in Folge und der Aufweichung der Mittelfristziele von Mitte Februar in diesem Jahr schon 10 Prozent verloren. Trotz der jüngsten Kursavancen ist ABB für Della Casa "kein Kauf mit einer längerfristigen Perspektive". Die zyklischen Werte würden es in den kommenden zwei Quartalen schwer haben.

Am breiten Markt empfiehlt Della Casa die Aktien des Verpackungsmaschinenherstellers Bobst. Die Lausanner kämen aus einer Phase der Restrukturierung und konnten gute Zahlen präsentieren. "Ein Unternehmen, das zurückfindet zu alter Stärke und viel freien Cashflow generiert." Bobst habe deshalb viel Potenzial über die nächsten zwei bis drei Jahre. 

Im cash-Börsen-Talk sagt Thomas Della Casa zudem, was ihn momentan an den Märkten am meisten beschäftigt, welche norwegische Bank als Vorbild gilt und welche Reformen Frankreich anpacken muss.